Kabarettist Robert Griess legte den Finger in die Wunde
»Wenn Dir ein Vogel aufs Hemd kackt, sei nicht wütend. Freue dich, dass Kühe nicht fliegen können«, so Kabarettist Robert Griess. In Lahr vermittelte der Kölner seinem Publikum die Lebensweisheit. Der Rheinländer philosophierte über Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im Zeitalter der »BWLer«.
Mit etwas Verspätung betrat Griess die Schlachthof-Bühne. Er sei mit der Bahn angereist, entschuldigte er sich. »Wir bedanken uns für die Verspätung und entschuldigen uns für die Reise mit der Deutschen Bahn«, habe die Ansage passend dazu gelautet. Robert Griess zog mit seinem gesellschaftspolitischen Kabarett alles durch den Kakao – hinter den scharfen Pointen verbarg sich einiges an Wahrheit. Es war die Abrechnung mit einer Welt, in der nicht Solidarität als noble Charaktereigenschaften gilt, sondern Gier und Egoismus regieren. Beispielsweise, wenn er den Unterschied zwischen politischen Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa und Steuerflüchtigen auf dem Weg ins (Steuer)Paradies aufzeigte. Ob die »lebende Hüpfburg der deutschen Sozialdemokratie Sigmar Gabriel«, Innenminister »Thomas die Misere«, »Flinten-Uschi« oder »Alexander Dobrindt, den sie als Baby drei Mal in die Luft geworfen, aber nur zwei Mal aufgefangen haben« – für »Queen Mutti Merkel« sei Qualifikation der einzige Hinderungsgrund, Minister zu werden.
Lieblingsprügelknaben des Humoristen waren neben Mitglieder aus dem »Kabinett des Schreckens und Grauens« auch Bänker und Superreiche. Dabei stellte der Kabarett-Revoluzzer in seinem neuen Programm »Ich glaub’, es hackt!« Fragen wie etwa: Wieso sind ausgerechnet Reiche gegen Mindestlöhne und feiern trotzdem Charity-Bälle? Weshalb bekommen Manager Bonus-Zahlungen, nicht jedoch Krankenschwestern? Griess polarisierte und polemisierte – angesichts der Allerwelts-Comedy-Inflation im Lande gut so.
Angetan zeigte sich Griess von der Berufsgruppe der »BWLer«. Als der Kabarettist BWL als »Bescheißen wir Leute« definierte oder mit dem Treppewitz »500 BWLer in der Hölle sind ein guter Anfang« aufwartete, hagelte es Lacher.
Aus wirtschaftlichen Gründen komme ein beinharter Kritiker wie er nicht umhin, manche Angebote notgedrungen anzunehmen. Ein Rudel von »BWLer«, ein paar Steuerflüchtlinge und Business-Fuzzis hätten ihn kürzlich für ein Wochenende in der marokkanischen Wüste gebucht. Dort habe man sich ein »Resort« im Tuareg-Stil gegönnt, Prostituierte inklusive. Für das Firmenbesäufnis habe der Kabarettist als Hofnarr der Neuzeit das perfekte Alibi geliefert: »Mein einziger Zuhörer war das Oasenkamel – ich habe aber gnadenlos weitergespielt«.
Als weiteren Höhepunkt erwies sich der Auftritt von Alter-Ego und Unterschicht-Galionsfigur »Stapper«, mit der Robert Griess in Proll-Haltung zur Hochform auflief. Der »Hartzer«-Rebell mit dem Lebensmotto »Hauptsache, es knallt!« legte immer wieder den Finger in die Wunde, kommentierte scharf die Sündenfälle der Gesellschaft.
Nur Selbstzufriedenheit
Dabei entlarvte er, politisch herrlich inkorrekt, die hilfslose Selbstzufriedenheit von Otto Normal, der über eine Kabarett-Nummer zwar schmunzelt, aber am nächsten Tag wieder in die traurige Wirklichkeit des »Ja-Sagers« und der Konventionen zurückkehren muss.
Brachiale Lachsalven gab es im halbvollen Schlachthof-Saal keine, aber die komischen Pointen regten zum Nachdenken an.