Bürgerrecht oder Bürgerpflicht?
eisterin Edith Schreiner begrüßte zum Salmengespräch am Montagabend den Publizisten und ehemaligen Oberstleutnant der Bundeswehr Jürgen Rose und Carlo Masala, der als Professor für internationale Politik an der Bundeswehr-Universität in München lehrt. Moderiert wurde das Gespräch von Sylvia Schraut, Mitglied im Salmenbeirat und Professorin für Geschichte an der Bundeswehr-Uni München.
Ist die Landesverteidigung ein Bürgerrecht oder eine Bürgerpflicht? Die Eingangsfrage mündete in eine Betrachtung der aktuellen Rolle der Bundeswehr in der Gesellschaft. Carlo Masala sah die Armee aus dem Bewusstsein der Bevölkerung herausgerückt. Es herrsche ein »wohlwollendes Desinteresse«, zitierte er den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser Zustand berge die Gefahr, dass die Soldaten in Einsätze geschickt werden, die von der Bevölkerung nicht gewollt seien. Die Freiwilligenarmee könne so zum Spielball der Politik werden.
»Frieden schaffen mit möglichst wenig Waffen«, lehnte Jürgen Rose Angriffskriege generell ab. Dazu zählt er auch Afghanistan. Rose hat sich 2007 aus Gewissensgründen von seinen Aufgaben bezüglich des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan entbinden lassen. Seither ist er im Arbeitskreis »Darmstädter Signal« aktiv, der sich als kritisches Sprachrohr von ehemaligen und aktiven Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr versteht. Bei Einsätzen im Ausland sollte nach Roses Meinung nicht die Politik, sondern das Volk das letzte Wort haben.
»Falscher Ansatz«
Politologe Masala versuchte die verzwickte Situation zu erklären, in der sich die Regierungen befinden, seit es zwar immer weniger Bedrohungen, dafür aber zunehmend Sicherheitsrisiken gibt. Ihnen angemessen zu begegnen, bevor sie zum Risiko werden, sei das Dilemma der Politik seit 20 Jahren. Mit Blick auf die schwindende Zustimmung der Bevölkerung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr meinte Masala, dass es die politische Elite versäumt habe, ihre
sicherheitspolitischen Entscheidungen zu diskutieren und für sie zu werben. Das sei schädlich – für die Politik, für die Bundeswehr und letztlich auch für die Bevölkerung.
Es sei ein falscher Ansatz, den Krieg erklären zu wollen, hielt Jürgen Rose dagegen. Für ihn ist jede Gewaltanwendung außerhalb der Regeln des Völkerrechts tabu. Er erläuterte seine Vision von einer europäischen Verteidigungsunion mit einer europäischen Armee, die sich für neutral erklärt.
Der Bundeswehr galt Carlo Masalas Blick nach vorn: Er sieht die große Herausforderung für sie darin, auch als Freiwilligenarmee in der Bevölkerung verankert zu bleiben.
Das Für und Wider von Auslandseinsätzen der Bundeswehr beherrschte die anschließende Diskussionsrunde mit den Zuhörern.
Als Einstimmung auf das Salmengespräch zeigte Christian Kessler eine Videoinstallation mit erschreckenden und erschütternden Bildern aus Kriegsgebieten. Gleichzeitig wurde eine Ausstellung der Offenburger Künstlerin Ursula Böhm eröffnet, die Fotomaterial aus dem Ersten Weltkrieg zeigt.
Stichwort:
Die 7. Forderung
Am 12. September 1847 verabschiedete eine Volksversammlung im ehemaligen Gasthaus »Salmen« in Offenburg die »Forderungen des Volkes«. Die 13 Artikel sind der erste demokratische Verfassungsentwurf in Deutschland. Die siebte Offenburger Forderung lautet: »Wir verlangen eine volksthümliche Wehrverfassung. Der waffengeübte und bewaffnete Bürger kann allein den Staat schützen. Man gebe dem Volke Waffen und nehme von ihm die unerschwingliche Last, welche die stehenden Heere ihm auferlegen.« gs