Das Weltall swingt für Coco Schumann
Aus dem Leben des Jazzmusikers Coco Schumann erzählt das Theaterstück »Der Ghetto-Swinger«. Am Mittwoch, 7. Oktober, ist es in Offenburg zu sehen.
Von Jürgen Stark
Licht und Schatten in einer schrecklich deutschen Geschichte, eine Gefangenschaft mit und ohne Gitterstäbe: Das Leben des begnadeten Musikers Heinz Jacob »Coco« Schumann kommt nicht als Konzert, sondern als Bühnendrama nach Offenburg. Dabei geht es eigentlich um Musik, wenn Konstantin Moreth in der Titelrolle und die famose Rocksängerin Helen Schneider den »Ghetto-Swinger« auf die Bühne bringen.
Ortstermin in einem Berliner Reihenhaus, weitab von Ku’damm und Hauptstadtlärm, kurz vor der Jahrhundertwende. Coco Schumann hat nach einem gefährlichen und harten Leben einen ruhigen Platz gefunden. Er erzählt seine Geschichte im Sauseschritt: In den 1930er-Jahren entdeckt der junge Berliner Jazz und Swing, lernt autodidaktisch Gitarre und Schlagzeug. 1935 führen die Nationalsozialisten die Rassegesetze ein, Coco Schumann wird als »Geltungsjude« eingestuft. 1943 wird er in das Ghetto Theresienstadt gesperrt.
Der NS-Zeit verdankt er seinen Spitznamen, der auch Titel eines vielbeachteten Buches wurde: »Der Ghetto-Swinger«. Unter diesem Namen spielt er in einer Band zur Freude der NS-Sadisten, die den Swing auch für neu ankommende Opfer an den Bahnsteigen spielen lassen. »Jeder Morgen brachte aufs Neue das Grauen. Immer wieder sahen wir in unserem Alltag die Reihen trauriger, ausgemergelter Menschen auf ihrem letzten Gang. Immer wieder sagte ich mir, die Musik kann nichts dafür, die Musik rettet dir vorübergehend das Leben«, erinnert sich Schumann.
Nach der Befreiung aus dem KZ setzt sich sein ungewöhnlicher Lebenslauf fort. Schumann ist der erste deutsche Musiker der Nachkriegszeit, der eine E-Gitarre einsetzt – den Tonabnehmer bastelt er sich selber. Der hervorragende Gitarrist, der auch schon mal mit Django Reinhardt verglichen wird, spielt mit Helmut Zacharias Melodien für Heinz-Erhardt-Filme, wandert nach Australien aus – und kehrt zurück.
Eine schwierige Phase beginnt ab den 1970er-Jahren, als sich die Unterhaltungsmusik immer weiter von seinem geliebten Swing entfernt. Nach dem NS-Terror muss er nun in Westdeutschland die DKP-Vereinnahmung ertragen. Die Linken interessieren sich ausschließlich für seine NS-Zeit, um diese politisch zu verwerten: »Meine Gefühle lagen in Deutschland immer im Widerstreit, dabei war ich doch immer zuerst ein Musiker!«
Coco Schumann wird von der Musikszene 1999 als Künstler wieder entdeckt, die CD »Coco Now!« erscheint und die Umarmungen falscher Freunde lassen nach. Wer seine traurigen, melancholischen Augen sah, wird diese nie vergessen. Diese Augen lachen, als er sagt: »Auf einer CD sind Kosmosschwingungen zu hören, also Frequenzen, die man beim Abhören des Weltalls aufgezeichnet hat. Das Weltall swingt!«
»Der Ghetto-Swinger«, Mittwoch, 7. Oktober, 20 Uhr, Offenburg, Oberrheinhalle, Karten: Geschäftsstellen der Mittelbadischen Presse.