»Der Entwurf verspricht nichts Sinnvolles«
Tauglich oder nicht? Das ist hier die Frage. Seit Tagen hagelt es heftige Kritik am Entwurf zum neuen Kulturgutschutzgesetz. Einige Änderungen wurden bereits vorgenommen. Was sagen Künstler und Sammler in der Region?
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ist »irritiert«. Sie verstand die Welt, vor allem die Kunstwelt und deren Kritik nicht mehr. Stein des Anstoßes ist der 87 Paragrafen starke Entwurf zum neuen Kulturgutschutzsgesetz. In Umlauf gekommen durch eine »Indiskretion«, habe man doch inzwischen nachgebessert. Ob vor oder nach dem Aufschrei der Kunstwelt, sagte sie am Mittwoch auf der Pressekonferenz in Berlin nicht.
Ins Rollen gekommen ist die Diskussion durch Georg Baselitz, der kurzerhand etliche Leihgaben aus Museen abzog. Gerhard Richter symphatisiert mit Baselitz, hält sich aber derzeit noch zurück. Wahrscheinlich hat Baselitz nichts zu befürchten, ebenso wenig wie Mayen Beckmann, Enkelin von Max Beckmann, die es Baselitz nachtat. Aber: »Die Aktion von Baselitz und Co. war wichtig. Sie haben damit ein Zeichen gesetzt. Nur sachliche Töne verpuffen schnell«, meint Manfred Schlindwein, Vorsitzender des Künstlerkreises Ortenau und selber Künstler.
Mehr Bürokratie?
Ein Kulturgutschutzgesetz gibt es bereits seit 1955. Nur regelt das bislang ausschließlich Ausfuhren ins nicht-europäische Ausland. Die neue Variante fordert nun dieselben Verfahren auch für Ausfuhren innerhalb der EU. Prüfen und genehmigen müssen die jeweiligen Länder. Was auf allen Seiten mehr Bürokratie bedeutet.
»Es ist noch ganz schwierig, sich eine fundierte Meinung über den Gesetzentwurf zu bilden«, sagt Jean-Philippe Naudet vom Hasemann-Liebich-Haus in Gutach. Zumal er »angepasst bzw. sinnvollerweise entschärft wurde«.
»Der Entwurf verspricht nichts Sinnvolles. Wie bei neuen Gesetzen zunehmend der Fall, ist er ein bürokratisches Monster, das der Kunsthandel wegen des Aufwands und Zeitfaktors grundsätzlich, aber auch wegen der negativen Auswirkungen auf den internationalen Kunsthandel fürchtet«, sagt der Durbacher Sammler und Museumsbesitzer Rüdiger Hurrle. Auch Naudet fürchtet den Zuwachs an Bürokratie für sein Museum »bei der Inventarführung«.
»Man spricht heute von Globalisierung – für die Kunst gilt sie mindestens genauso. Damit der Künstler seinen Rang erhält, muss er ja auch in namhaften Galerien zu sehen sein. Der Handel, der Kontakt mit dem Ausland ist absolut wichtig, damit ein Werk seine Bedeutung bekommt«, sagt Schlindwein.
Grütters sieht zwar diesen Mehraufwand, beruft sich aber auf eine EU-Richtlinie von 2014, die umzusetzen sei. Und darauf, dass es in allen anderen EU-Ländern auch solche Genehmigungsverfahren gibt.
Hurrle sagt: Das Gesetz muss, wenn es ein Kulturgutschutzgesetz sein will, jeden Anschein von Bürokratie, behördlicher Willkür und Eingriffe in das Privateigentum vermeiden. Sonst wird es beträchtliche negative Auswirkungen auf Privatinitiativen in Kunst und Kultur und auf das bisher hochbewertete Mäzenatentum haben.« Denn, so Hurrle: »Sammler sind entscheidende Mäzene und Förderer der Museen. Sie fürchten nichts mehr als mögliche bürokratische Willkür und Übergriffe in ihre Privatsphäre.«
Ziel des Gesetzes ist es einerseits, illegalen Antikenhandel zu unterbinden, andererseits »national wertvolles (deutsches) Kulturgut« zu schützen. Nur: Wer definiert, was »nationales wertvolles Kulturgut« ist? Den Kritikern ist der Begriff zu schwammig, nennen ihn sogar »untauglich«. Gegenüber der dpa gab Grütters zu, dass die Definition »in der Tat sauber geregelt werden« muss. Warum man das nicht zuerst gemacht hat, weiß nur das Ministerium.
»Wer und welches Gremium entscheidet, was national wichtig ist?«, fragen dann auch Schlindwein und Gerlinde Brandenburger-Eisele, Kuratorin der Stadt Offenburg. »Es muss eine zentrale Regelung für eine Liste geben, und die muss exklusiv sein«, sagen sie. »Diese Liste muss von Kunsthistorikern erarbeitet werden für alle Länder und Kulturlandschaften verbindlich sein«, betont die Kuratorin. Es wäre auch »pädagogisch gut, den Leuten klar zu machen, was ist uns wert und wichtig, dass wir uns darüber verständigen – und zwar jenseits von Geld und allen pekuniären Bewertungen.«
Schutz vor Abwanderung
Laut Gesetz sind zunächst einmal Werke schützenswert, die einen Wert über 150 000 Euro haben und älter sind als 50 Jahre. Kritiker meinen, eine Selektion nach Alter und Marktwert würde den Begriff des »national wertvollen Kulturguts« entwerten. Dem stimmen die drei Ortenauer Kunstexperten zu. Was Museumschef Hurrle ärgert, ist die Beweislastumkehr und die Beurteilung durch Ämter: Denn der Händler, Sammler oder Künstler »muss beweisen, dass es sich dabei nicht um nationales Kulturgut handelt. Ob es ausgeführt werden darf, entscheiden dann Behörden (!)«, sagt der Sammler.
Grütters möchte Kulturgüter vor Abwanderung schützen. Bestände deutscher Museen würden künftig kollektiv unter Schutz gestellt – auch Leihgaben. Schutz, betont Grütters, bedeute nicht Enteignung – der Künstler müsse ihn ja nicht annehmen. »Das kann grundsätzlich positiv sein«, sagt Naudet, sowohl in Bezug auf Diebstahl als auch auf Abwanderung.
Fraglich sei für ihn allerdings auch, »ob die Leihgabe aus Privatbesitz an Musseen dadurch erschwert wird – durch die Bürokratie oder die Angst der Besitzer, nach der Leihgabe nicht mehr frei über ihre Kunstwerke verfügen zu dürfen.
Marktwert – Kunstwert
»Vielleicht müsste man mal über unser Kulturgut nachdenken und darüber, was uns wichtig ist jenseits des Geldes. Das ist für mich immer der Punkt: Dass die Leute immer erst nach dem Geld fragen. Aber Marktwert ist nicht mit Kunstwert identisch.«
In dieselbe Richtung argumentiert auch Hurrle: »In unserer globalisierten Welt wird es von Generation zu Generation immer wichtiger, zu wissen und zu empfinden, woher wir kommen, welches unsere Wurzeln sind und wohin wir wollen. Die Pflege, Erhaltung und Vermittlung von Kunst und Kultur sind deshalb lebenswichtige Aufgaben für die Bewahrung unserer Authentizität.«
Die Sammler in der Ortenau denken kritisch, sagt Schlindwein, hielten sich derzeit aber noch mit einer Beurteilung zurück. Für ihn bleibt die Eigentumsfrage und die Selbstbestimmung als Kritikpunkt. »Ich sehe es aber als Vorentwurf.«
Trotz allem ist Hurrle grundsätzlich der Meinung, »der Schutz von Kulturgut sollte jedem Staat ein Anliegen sein.« Insoweit sei die Absicht zu begrüßen, ein Kulturgutschutzgesetz zu schaffen. »Die Frau Ministerin scheint die Kritik an dem Entwurf ernst zu nehmen und Nachbesserungen anzubringen. Die Schritte dieser Woche scheinen in diese Richtung jedenfalls positiv«, sagt auch Museumsleiter Naudet.