Die letzte Kugel ist für die Braut
Mit »Black Rider« von William S. Burroughs, Tom Waits und Robert Wilson kommt am Mittwoch, 22. April, die rockige Version des »Freischütz« auf die Bühne der Oberrheinhalle. Tom-Waits-Fan Edgar Common erzählt, warum.
Als langjähriger Fan des Komponisten, Schauspielers und Musikers Tom Waits bewundert der Offenburger Kulturbüroleiter Edgar Common vor allem dessen große Gabe, Dinge zusammen zu bringen, die eigentlich nicht zusammengehören, um dann daraus ein eigenständiges Werk zu kreieren. So sei es dem Komponisten auch beim Freischütz gelungen, die romantische Oper in den damals klassischen Tom-Waits-Sound der 1990er-Jahre zu übertragen.
Was wir alle als Oper von Carl Maria von Weber kennen, ist eigentlich eine Gruselgeschichte: »Der Freischütz«. August Apel und Friedrich August Schulze hatten um 1811 ein »Gespensterbuch« herausgegeben, und die Geschichte des Freischütz war die erste in diesem Band. Von Weber war fasziniert und inspiriert und schrieb seine Oper, die bereits zehn Jahre später am Schauspielhaus Berlin uraufgeführt wurde.
170 Jahre später hat eine Musical-Version in Hamburg Premiere: »The Black Rider: the Casting of the Magic Bullet«. Die Texte stammen von William S. Burroughs, die Musik von Tom Wits und Robert Wilson führte Regie. Herausgekommen ist eine ohrwurmträchtige Inszenierung, mit viel Spielwitz und Pantomime und einer schrägen Bilderflut.
Nun hat sich das Belaqua-Theater Wasserburg dieses Musicals angenommen. Figuren wie Musiker agieren als geführte Kuriositäten eines diabolischen Kabinetts. Und dafür gab es einen Preis der Fachjury auf den 30. Bayerischen Theatertagen in Augsburg.
Die Sage vom Freischütz müsse man nicht unbedingt kennen, um dem Stück zu folgen, meint Common. Ein Blick in den Plot genüge. Der Jägerbursche Max, ein Profi-Schütze, wird beim Schützenfest besiegt. Der Teufel hatte seine Hand im Spiel. Dummerweise kann Max aber nur die Försterei erben, wenn er die Försterstochter Agathe heiratet. Und um die zu gewinnen, muss er bei der fürstlichen Jagd wenigstens den geforderten Probeschuss bestehen. Max steht also ziemlich unter Druck. Was seinem Rivalen Kaspar sehr recht ist. Der hatte sich einst für eine »Freikugel« dem Teufel verschrieben und kann sich nur befreien, wenn er dem Teufel ein neues Menschenopfer bringt.
Im »Black Rider« haben wir es mit einem Amtsschreiber Wilhelm – so hieß der Möchtegern-Schütze ja auch in der Originalerzählung – zu tun, der sich in die Försterstochter verliebt. Doch Wilhelm ist nicht der ideale Schwiegersohn, kein »echter Mann«. Da kommt ihm Stelzfuß zu Hilfe – analog zum Kaspar im »Freischütz«. Im »Black Rider« gibt es – anders als in der Oper – kein Happy End: Die Braut wird von der letzten Freikugel tödlich getroffen, der Bräutigam wahnsinnig.
Dass die Burroughs-Version das Ende der ursprünglichen Gespenstergeschichte übernommen hat, mag mit der Biografie Burroghs zu tun haben. Burroughs hatte nämlich seine eigene Frau erschossen, als er betrunken Wilhelm Tells Apfelschuss nachstellen wollte. So kann man den »Black Rider« wohl auch als eine Warnung vor der Sucht lesen: Hände weg von Drogen.
Dass Carl Maria von Webers »Freischütz«-Geschichte so beliebt wurde, hat wohl mit der politischen Situation zu tun. Während die Gespenstergeschichte um 1648 verortet wird, also nach dem Dreißigjährigen Krieg, spielt Webers Version am Ende der Napolenischen Kriege. Er trifft die nationale Identität wie kein zweites Bühnenwerk.
Mit klassischen Tourneetheater-Inszenierungen ist »The Black Rider« nicht zu vergleichen. Durch die zahlreichen optischen und akustischen Stilmittel entsteht eine andere Wahrnehmung des Bühnengeschehens. Das passt zu Edgar Commons Programmpolitik, besondere, verblüffende und genreüberschreitende Inszenierungen nach Offenburg zu holen. Auch im Theaterspielplan finden sich immer wieder solche Cross-Over-Stücke, wie jüngst die gefeierte »Familie Flöz«.
»The Black Rider«, Mittwoch, 22. April, 20 Uhr, Offenburg, Oberrheinhalle. Karten: Bürgerbüro Offenburg, Marktplatz 5, • 0781/82 28 00, Geschäftsstellen der Mittelbadischen Presse, Tickethotline: 0800 / 911 811 711 (kostenfrei)