Die Lust am Spiel mit Worten
In der im vergangenen Jahr pausierenden Reihe »Vielstimmiges Afrika« stellte Ilija Trojanow am Sonntagnachmittag Lola Shoneyin, eine selbstbewusste, humorvolle Schriftstellerin aus Nigeria vor. Die Montagslesung gehörte dann zwei Autorinnen, deren Wurzeln im Iran liegen.
Lola Shoneyin hat keine Berührungsängste mit der von ihren Großvätern noch praktizierten Polygamie. Sie erhebt auch nicht mahnend den Zeigefinger, obwohl die 41-jährige Autorin aus Nigeria für sich klar eine andere Präferenz setzt. Lola Shoneyin hat als Lehrerin gearbeitet, zwei Kinderbücher und mehrere Gedichtbände veröffentlicht, bevor sie 2010 den im vergangenen Jahr auch in Deutschland erschienenen Debütroman »Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi« vorgelegt hat.
In ihm greift sie gleich eine ganze Reihe Tabuthemen auf, spinnt ein aus europäischer Sicht bizarres Ehegeflecht, in dem es eben um Polygamie, aber auch um Homosexualität und religiösen Fanatismus geht. Erzählt wird die Geschichte von Bolanle, einer jungen, gebildeten Frau mit Hochschulabschluss, die als vierte Ehefrau den wesentlich älteren Patriarchen Baba Segi heiratet. Sie taucht ein in eine komplexe Familienstruktur voller Argwohn und Intrigen, in der sich die Situation dramatisch und immer bedrohlicher zuspitzt.
Lola Shoneyin erzählt trotzdem alles andere als eine klassische Problemgeschichte, in der die Frauen in die Opferrolle gezwungen werden. Der Stil ihrer Erzählung ist humorvoll und leichtfüßig, wird geprägt von der Sprache der Dichtung.
Tabus aufgezeigt
Die Geschichte ist fesselnd, wartet immer wieder mit pikanten Details auf, die gerade auch die weiblichen Leser ansprechen, wie die Autorin im Gespräch mit Ilija Trojanow zugibt. Der von ihr gewählte Ansatz ermöglicht so auch eine offene unverkrampfte Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Tabus in vielen Ländern des afrikanischen Kontinents.
Auch die am Montagabend im Rahmen der 2014 gestarteten Reihe »Im Fokus« zu Wort kommenden Autoren sind weiblich. Die Wurzeln von Sudabeh Mohafez, Jahrgang 1963, und Kathy Zarnegin, Jahrgang 1964, liegen zumindest teilweise im Iran. Beide Autorinnen wurden in Teheran geboren, verließen das Land aber im Jahr 1979. Bei Sudabeh war die treibende Kraft die deutsche Mutter, die sich von ihrem Mann trennte. Bei Kathy war es der Wunsch, in Europa die Schule zu besuchen und zu studieren.
Den Zuhörern in der Hausacher Stadthalle begegnen zwei Autorinnen, die ihre Verbindungen in den Iran ganz bewusst gekappt haben. Sudabeh Mohafez lebt heute auf der Schwäbischen Alb. Sie sei eine deutsche Frau mit persischem Namen, wie sie im Gespräch mit Moderator Andreas Öhler betont.
Sie habe sehr lange suchen müssen, um in ihrem literarischen Fundus Gedichte mit einem Bezug zum Iran zu finden. In ihrer Lesung packt sie dann aber gleich mehrere, bisher unveröffentlichte Werke aus. Sie zitiert ein beinahe schon zornig vorgetragenes »Wutgedicht« über den Hausberg von Teheran und Verse über ihre Abreise im Jahr 1979, die sie erstmals überhaupt auch auf Persisch vorträgt.
Fremde Heimat
Kathy Zarnegin hat in Basel und Zürich Philosophie und Literaturwissenschaft studiert, ist ausgebildete Psychoanalytikerin, vor allem aber Lyrikerin und Verfasserin zahlreicher Essays. Es bereitet ihr Vergnügen, Dinge zu verschlüsseln oder zu analysieren. Sie agiert virtuos und sinnlich mit der deutschen Sprache, lässt in ihren Gedichten immer wieder erotische Momente anklingen.
Ihre Heimat ist ihr fremd geworden, wie Sudabeh Mohafez ist sie nie mehr in den Iran zurückgekehrt. Im Zentrum des Abends stehen deshalb auch klar zwei herausragende Lyrikerinnen, zwei Frauen, die ganz zur Freude von Andreas Öhler immer wieder ihre Lust am Spiel mit den Worten erkennen lassen. Das Thema Migration wird am Rande gestreift, zur Situation im Iran, zu den Problemstellungen der arabischen Welt verweisen beide auf andere, weitaus profundere Kenner der Materie.