Gidon Kremer mit Martha Argerich auf Geburtstagstour
Am 27. Februar wurde der lettische Geiger Gidon Kremer 70 Jahre alt. Das feiert er mit Jubiläumskonzerten. Am Sonntagabend stand er zusammen mit der Pianistin Martha Argerich und der Kremerata Baltica im Festspielhaus Baden-Baden auf der Bühne.
Mit wallendem Rock und Löwenmähne zieht die Pianistin Martha Argerich den Geiger Gidon Kremer auf die Bühne: Komm schon, scheint sie ihm zu sagen, sei nicht so bescheiden, es ist dein Geburtstag. Das Publikum im gut besuchten, aber nicht ausverkauften Festspielhaus atmet hörbar auf: Ja, sie ist wirklich da, denn selbstverständlich ist das nie.
Martha Argerich ist berühmt für ihre Leidenschaft am Klavier und im Leben und berüchtigt für ihre kurzfristigen Absagen; es gab schon Abende, da setzte sie sich aufs Podium und spielte keinen Ton. Ihr Freund Gidon Kremer ist dagegen extrem zuverlässig und diszipliniert. In seinem dunkelblauen langen Seidenhemd wirkt er wie ein asketischer Guru, und so spielt er auch.
Kammermusikalische Zweisprachen
Es ist seine Geburtstagstournee. Vor 70 Jahren in Riga geboren, Schüler von David Oistrach in Moskau, seit 1980 im Westen lebend, ist er berühmt für seine Förderung junger Musiker, für Uraufführungen und Entdeckungen, die er mit Leidenschaft betreibt. Das Programm in Baden-Baden wirkte dagegen geradezu unspektakulär, ja bescheiden. Denn Robert Schumanns Sonate Nr. 1 für Violine und Klavier und Mozarts Doppelkonzert für Harfe und Flöte, bearbeitet für Violine und Klavier von Victor Kissine sind keine Virtuosenstücke, sondern intime, kammermusikalische Zwiesprachen; pastoral-schlicht klingt der zweite, fließend und klar der dritte Schumann-Satz; und im triumphalen Finale befeuern sie sich gegenseitig. In Mozarts Doppelkonzert vergisst man sogar die Wunderharfe und Flöte, denn beide harmonieren wie Verliebte – so nennt Kremer sein Musizieren mit Argerich.
Diese Harmonie ist nicht langweilig, sondern aufregend, denn sie erwächst einer Gegensätzlichkeit. Argerich, die fünf Jahre Ältere, gibt den Ton und das Tempo an. Sie ist die Treibende, spielt bisweilen so leuchtend, dass sie die Geige zudeckt. Kremer verhält sich souverän, buhlt nicht um die Gunst des Publikums, lässt sich auf keinen Wettbewerb mit dem Klavier ein, verzichtet auf jeden breiten Strich, jedes Vibrato. Sein Ton ist schlank, fast spröde, geheimnisvoll, manchmal wie gehaucht. Doch man darf sich nicht täuschen: Beide brennen für ihre Musik, die eine lodert, der andere glüht.
Vortritt für die Jugend
Kremer schenkte die erste Konzerthälfte Musikern, die er energisch fördert: die Kremerata Baltica, ein Orchester, das er vor 20 Jahren gründete, und der junge französische Pianist Lucas Debargue spielten das Klavierquintett op. 18 von Mieczyslaw Weinberg. Die Enttäuschung der Kremer-Fans verflog schnell. Denn das Stück dieses ungemein produktiven russischen Komponisten, er starb 1996, ist zwar etwas lang, aber hochattraktiv in seiner tonalen, stark rhythmisierten Sprache, die immer wieder an seinen Lehrer und Freund Schostakowitsch erinnert. Und Debargue, der von Kremer beim Tschaikowsky-Wettbewerb entdeckt wurde, spielte die rasanten Läufe und Doppelgriffe sicher und jugendlich beherzt.
Am Schluss gab es ein Geburtstags-Happy-End mit drei witzigen Zugaben. Nun wirkten alle gelöst und heiter. Mit Argerich spielte Kremer »Jeanne & Paul« von Astor Piazzolla. Dann zog Argerich den jungen Debargue ans Klavier: vierhändig »Laideronnette« aus Ravels »Ma mère l’Oye«, und schließlich gab Kremer mit der Kremerata sein eignes Ständchen: die Happy-Birthday-Variationen von Peter Heinrich. Da gab’s kein Halten mehr – Standing Ovations.