Große Daumen und weiche Sofas
Weil am Rhein. Erstaunlich eigentlich, dass es eine Ausstellung zum Thema nicht schon längst gegeben hat: Im Vitra Design Museum in Weil am Rhein geht es um die Affinität von Pop-Art und Pop-Design, die hier im Titel zu »Pop Art Design« verschmelzen. Ablesbar ist diese Affinität bereits am beruflichen Werdegang wichtiger Pop-Artisten, die nicht selten in Personalunion Designer waren. Andy Warhol begann seine Karriere als Werbegrafiker und Mode-Illustrator. Robert Rauschenberg arbeitete anfänglich als Schaufensterdekorateur. Und der junge James Rosenquist verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Malen von Werbeplakaten.
Weil wohl der Dünkel der Kunstsphäre gegenüber der Gebrauchskunst des Designs noch immer hoch ist, blieb es jetzt dem Weiler Design-Museum vorbehalten, die Thematik aufzugreifen. Von Anfang bis Ende operiert die Ausstellung, die sich teilweise in eine etwas verwirrende Vielfalt von Unterthemen gliedert, mit dem Mittel der direkten Gegenüberstellung von Kunst und Designobjekten.
Ausgangspunkt des Parcours ist eine vergrößerte Reproduktion von Richard Hamiltons Collage »Just What Was It That Made Yesterday’s Homes So Different, So Appealing?« von 1956. Das berühmte Werk versammelt fast alle Themen und Motive, die später die Künstler beschäftigen sollten: Massenmedien und Konsumästhetik, Reklame und modernes Design, die Sexualisierung des menschlichen Körpers.
Wechselspiel
So zitiert Pop-Art an ihrem Beginn plakativ eine bereits vom modernen Design geprägte Alltagskultur, um sehr bald ihrerseits aufs zeitgenössische Design zurückzuwirken, das Motive und Bildsprache der Pop-Art übernimmt: ein bis heute andauerndes Wechselspiel.
Die »Migration von Motiven zwischen Kunst und Design« (Schwartz-Clauss) zeigt sich in der Ausstellung nicht nur in dem weich geschwungenen Sofa »Leonardo« von Studio 65, das in Form und Design an ein wehendes Sternenbanner erinnert und Jasper Johns Flaggen-Bilder zitiert – das in der Ironisierung nationalistischer Amerika-Glorifizierung auch ein kritisches Statement zum Vietnamkrieg darstellt.
Kunst und Design besetzen dieselben Themen. Beispiel Drogen: Claes Oldenbourgs kniehoher ausgedrückter Zigarette aus Aluminium entspricht die Bodenleuchte in Form einer überdimensionalen Pillenkapsel von Studio DA. Noch plakativer überhöht Gaetano Pesces wandhohe Stehleuchte »Moloch« das Gebrauchsobjekt.
Der obere Saal sprengt die gewohnten Dimensionen und verwischt die Genregrenzen. Dem mannshohen »Großen Daumen« aus Bronze des französischen Pop-Artisten César tritt Gaetano Pesces Sitzskulptur in Form eines kolossalen Fußes zur Seite. Und Verner Pantons knallroter »Living Tower« ist ohne Warhols monumentale Siebdruck-Marilyns in poppigen Farben wohl nicht denkbar. Das ebenfalls knallrote Sofa »Bocca« in Lippenform von Studio 65 zitiert den Armsessel »Donna« von Pesce. Er ist womöglich auch das Vorbild für den spektakulären »Chair« des britischen Pop-Artisten Allen Jones, den man sich gut auch als Design-Objekt vorstellen könnte. Auf ihm Platz zu nehmen wäre heute jedoch politisch unkorrekt: eine halbnackte Dame in Rückenlage bietet das Gesäß als Sitzfläche an.
Ausstellung »Pop Art Design«,
Vitra Design Museum, Charles-
Eames-Str. 2, Weil am Rhein. Bis
3. Februar, Montag bis Sonntag,
10-18 Uhr.