Großer Gestalter von Beethoven-Sonaten
Einen Beifallssturm schon zur Pause entfachte Alexej Gorlatch, Klavierkünstler aus der Ukraine, beim Abonnementkonzert in der Alten Kirche Fautenbach am Sonntag. Viermal Beethoven stand auf dem Programm, darunter »Pathétique« und »Mondscheinsonate« – Kronjuwelen der Klaviermusik.
Achern-Fautenbach. Kenner wie Laien konnten die berühmten »schönen Stellen« der Beethoven-Sonaten am Sonntag in der fast ausverkauften Alten Kirche Fautenbach reichlich genießen. Der Komponist Wolfgang Rihm nannte Kantilenen dieser Art – vielleicht ein wenig neidisch – »erogene Zonen«, gemeint: des Innenohres.
Es ging Alexej Gorlatch nun gewiss nicht nur um die »schönen Stellen«, sondern um die Architektur der vier Sonaten, um den großen Bogen, der sie zusammenhält. So war das Adagio der Mondscheinsonate kein Schlummerlied: Die sanften Triolen der linken Hand bauten mit an den vielfältigen Harmonien von Melodie und gesamtem Tongebäude.
Eindringliche Dialoge
Als ganz großer Gestalter offenbarte sich dieser Pianist eindringlich für die »Dialoge« zwischen rechter, linker und übergreifender Hand im 1. Satz der d-Moll-Sonate op. 31. Dramatisch stellte er die typischen Beethoven-Kontraste dar, die Pausen als klaffende Kerbe zwischen zwei Akkordblöcken, die spannungsvoll gehaltenen Einzeltöne in ihrem Gegensatz zu Arpeggien. Das Problem um das von Beethoven (allzu) häufig notierte Pedal scheint dieser Künstler mit ebenso sicherem Gespür gelöst zu haben wie die Kontroversen um die Verwendung des Metronoms bei der Tempogestaltung.
Wie souverän er die Tempo-Bezeichnung »Allegretto« in op. 31 auslegte, war bei den aufregend widerborstigen Synkopen zu hören, ohne dass der dynamisch vorwärts drängende Fluss der Spielbewegung dabei verloren gegangen wäre.
Und wenn man bedenkt, dass der in vielen Metropolen auftretende Musiker den Fautenbacher Flügel ja nicht einmal gewohnt ist, kann man nur staunen über die Transparenz, mit der auch im schnellsten Zeitmaß jede einzelne Note ihm von den Fingern geht, – oder schier an Wunder glauben: Wann und wo hat man das Presto agitato der Mondscheinsonate in solch atemraubendem Tempo gehört?
Barockes Formgut
Und noch überwältigender schien die nachschaffende Kraft, mit der Gorlatch Beethovens Versuch vergegenwärtigte, barockes Formgut in romantische Stilwelt vordringen zu lassen: Es waren die Fugen des Schlusssatzes der As-Dur-Sonate, mit denen einer kühn epochen-aufwärts gegangen war.
Vordergründige Brillanz hat der bescheiden auftretende ARD-Preisgewinner nicht nötig. Auf den enthusiastischen Schlussbeifall hin dankte er mit dem leisen Prélude Nr. 4 e-Moll von Chopin – märchenhaft schwebend, als gelte es, melancholisch auf einen aus dem Osten im Reich der Musik zu weisen.