Gutes Gespür für die Zusammenklänge
Ein großes, ein monumentales Meisterwerk der Musikgeschichte und eine würdige Aufführungsstätte: Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion in der Klosterkirche des Klosters Erlenbad in Sasbach war am letzten Sonntag ein feierlicher Auftakt in die Ostersaison.
Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion sprengt im Hinblick auf Länge, Besetzung und Dramatik jedweden musikalischen Rahmen und bedeutet zweifelsfrei eine Herausforderung für Dirigent, Musiker und Sänger. Olaf Fütterer, Dirigent und künstlerischer Leiter der Singakademie Ortenau und seit Jahren in Sachen deutsch-französischem Kulturaustausch unterwegs, hat mit seinem Gespür für Zusammenklänge eine beachtliche binationale Truppe zusammengestellt.
162 Mitwirkende aus Deutschland und Frankreich bilden sowohl den obligaten Doppelchor als auch das Doppelorchester. Die Singakademie Ortenau stellt mit den Sängern ihres französischen Partnerchores Choeur St. Guillaume Strasbourg den einen Teil des Doppelchores, den anderen stellen die acht Solosänger. Unterstützt werden sie durch den Kinderchor, die Petits Chanteurs de Strasbourg, die, wie Bach selbst es zuweilen praktiziert hat, zweigeteilt von der Empore aus die Dramatik des Geschehens unterstreichen. Das Doppelorchester setzt sich aus arrivierten Musikern der Musiciens sans Frontières Alsace-Ortenau zusammen, die ebenfalls Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Singakademie haben.
Renommierte Solisten
Fütterer gelang es, auch renommierte Preisträger zu gewinnen wie Silvia Hauer (Alt), Wolfgang Klose (Tenor – Evangelist), Clemens Morgenthaler (Bassbariton), Almut Hellwig (Sopran) und Richard Logiewa (Bassbariton – Christusworte); ferner Alexandra Gühring (Sopran), Martina Seifert (Alt) und Akeo Hasejawa (Tenor). Das ist freilich ohne Mäzenatentum nicht möglich. Die Wucht der Handlung vom Leiden und Sterben Jesu Christi spiegelt sich im Dialog der Chöre. Der Tenor-Evangelist gibt den Erzähler (deutlich und rein: Wolfgang Klose), die Christusworte werden vom Bassbariton zitiert (charaktervoll: Richard Logiewa), Arien und Rezitative der anderen Solisten reflektieren die Handlung als Kommentar. Die Choräle heben die dramatischen Höhepunkte hervor.
Wer immer sich dieser Matthäuspassion annimmt, stemmt sich gegen Dirigentenschwergewichte wie Wilhelm Furtwängler, Karl Richter, Nikolaus Harnoncourt und Georg Solti, um nur einige zu nennen, und nicht immer gehen die Auffassungen konform. Zu Bachs Zeiten üblich war eine langsame und gedehnte Spielweise, und die Matthäuspassion, ohnehin als Teil eines liturgischen Ritus konzipiert, konnte so leicht vier bis fünf Stunden dauern, zumal dazwischen noch die Predigt von etwa einer Stunde lag.
So lange brauchten die Besucher in der voll besetzten Klosterkirche allerdings nicht standzuhalten, Fütterer hatte da seine ganz eigene, sehr fortschrittliche und zeitgemäße Vorstellung. Er betont den Eingangschor mit einer mitreißenden Dynamik, gewaltig und ergreifend. Er lässt die Chöre einen spannungsgeladenen Dialog führen, ohne Verzögerungen, mit äußerst rasanten Tempi, und die Rezitative folgen einem exakten Timing. Und schließlich der Schlusschor: Einfach überwältigend!