Europäischer Übersetzerpreis 2016

Harry Potter-Übersetzer Klaus Fritz erzählte von der Arbeit

Oscar Sala
Lesezeit 4 Minuten
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22. April 2016
Übersetzerin Maja Überle-Pfaff lässt sich am Computer von Sibylle Reiff-Michalik (Leiterin der Stadtbibliothek Offenburg, links) und Petra Bös (Projektleiterin »Gläserne Übersetzer«) über die Schulter schauen.

(Bild 1/2) Übersetzerin Maja Überle-Pfaff lässt sich am Computer von Sibylle Reiff-Michalik (Leiterin der Stadtbibliothek Offenburg, links) und Petra Bös (Projektleiterin »Gläserne Übersetzer«) über die Schulter schauen. ©Oscar Sala

Harry Potter-Übersetzer Klaus Fritz und seine Kollegen Maja Überle-Pfaff und Tobias Scheffel  gaben an zwei Abenden den gläsernen Übersetzer.

Hand aufs Herz: Wer hat bei der Lektüre eines spannenden Krimis oder eines fesselnden Romans schon mal auf den kleinen Hinweis im Buch »übersetzt aus dem ... von« geachtet? Sicher nicht viele. Übersetzer 
literarischer Werke bleiben weithin unbekannt. Glücklicherweise wird die Verleihung des Europäischen Übersetzerpreises am Sonntag in Offenburg von einem umfangreichen Programm begleitet, das die Arbeit dieser im Hintergrund wirkenden Wortakrobaten einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machte. 

Übersetzer sind keine Popstars. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, wie bei Klaus Fritz (Jahrgang 1958), der deutsche Übersetzer der Harry Potter-Bücher. Auch wenn die »Pottermania« etwas zurückliegt, so zieht das öffentliche Erscheinen des in Süddeutschland lebenden Übersetzers immer noch Scharen junger und junggebliebener Fans des Zauberlehrlings an. 
Bei seinem Auftritt am Montag im vollbesetzten Saal der Offenburger Stadtbibliothek machte Fritz gleich zu Beginn deutlich, warum  Übersetzer trotz ausgefeilter Rechner-Programme heute noch unverzichtbar sind. Der Google-Übersetzer etwa sieht hier recht blass aus: Wenn im Potter-Original die englische Autorin Rowling es »Cats and Dogs« regnen lässt, liefert die Übersetzungsmaschine wortgetreu: »Es regnet Katzen und Hunde« – wo vielmehr »es regnet in Strömen« gemeint ist.

Jäger auf Wortpirsch

Eine derartige sprachliche Unsensibilität dürfen sich Googles menschliche Pendants nicht leisten. Ein nachlässig übersetztes Buch kann nämlich  die Arbeit eines Autoren zunichte machen. Die Qualität eines Werkes steht und fällt mit seiner stimmigen Übertragung von der Originalsprache in die Zielsprache. Deshalb sind gute Übersetzer regelrechte Jäger auf Wortpirsch – jede Redewendung, jedes Zitat wird ins Visier genommen, mehrfach geprüft, kontrastiert. 

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Klaus Fritz weiß ein Lied davon zu singen. So muss er seine kreative Ader immer wieder bemühen, da sich nicht jedes Wort eins zu eins übersetzen lässt. Hier und da muss ein ähnliches, anderes Bild gefunden werden, das aber den gleichen Effekt auslösen soll. Spielerisch entstehen Bezeichnungen wie »Trolltreppe« (escapators) oder »Blizisten« (please-men). Es ist immer wieder ein Ausbalancieren und Abwägen. Potters Autorin macht es ihm mit ihren zahlreichen Wortneuschöpfungen nicht gerade leicht. 
Gelegentlich muss Klaus Fritz seine Kreativität im Zaume halten, etwa beim Originalnamen der Zauberschule des Helden »Hogwarts«, den er einfach übernommen hat. Die wörtliche Übertragung »Schweinewarzen« wäre doch nicht das Gelbe vom Ei gewesen, meint nicht nur Fritz, sondern viele seiner jungen Fans in der Stadtbibliothek.

Wie Übersetzen tatsächlich funktioniert, davon konnten sich Interessierte einen Tag später am Dienstag bei der Veranstaltung »Der gläserne Übersetzer« selbst überzeugen. Die Übersetzerin Maja Überle-Pfaff und ihr Kollege Tobias Scheffel übersetzten aus dem Englischen und aus dem Französischen am Computer. Das Publikum in der Stadtbibliothek konnte dies nicht nur mitlesen und verfolgen, sondern teilweise aktiv daran mitwirken. Bis zur Idealversion muss nicht selten die Terminologie geklärt oder Zusammenhänge erkannt werden. »Das Internet hat unsere Arbeit sehr erleichtert, aber die Recherche ist weiterhin sehr aufwendig«, betonte die Freiburgerin.

Einsamer Akt

Öffentlichkeit ist nichts für Übersetzer, ihre Tätigkeit erweist sich vielmehr als intimer Akt. Das »Tieftauchen« im Text eines Romans nimmt viel Zeit in Anspruch. Bei einem Pensum von zehn übersetzten Seiten am Tag kann das manchmal Monate dauern – und alles unter Zeitdruck – der Abgabetermin steht vor der Tür. Übersetzen ist dementsprechend ein recht einsamer Akt. 

Ohne das Übersetzen würden uns wichtige Zugänge zum Wissen und zur Literatur fehlen. Und dennoch: Es fehlt weiterhin an Anerkennung in der Gesellschaft. Die Preisverleihung am Sonntag ist eine wohlverdiente Würdigung dieses notorisch unterschätzten Berufsstandes.

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