Offenburg/Ortenau

Historischer Verein stellt "Die Ortenau" vor

Jutta Hagedorn
Lesezeit 3 Minuten
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24. Oktober 2014
Klaus Kaufmann und Martin Ruch stellten »Die Ortenau 2014« vor.

Klaus Kaufmann und Martin Ruch stellten »Die Ortenau 2014« vor. ©Iris Rothe

»100 Jahre Erster Weltkrieg« schlägt sich auch in der Zeitschrift »Die Ortenau« nieder. Gestern stellte der Historische Verein für Mittelbaden seinen 94. Jahresband vor.

Vor 104 Jahren, also 1910, wurde in Offenburg der Historische Verein für Mittelbaden gegründet. Dennoch stellt er 2014 erst den 94. Jahresband seiner Zeitschrift »Die Ortenau« vor. Der Grund ist einleuchtend, sagte gestern Präsident Klaus Kaufmann bei der Vorstellung: Der Erste Weltkrieg forderte sein Tribut. »Der Erste Weltkrieg« ist auch Schwerpunktthema des Jahresbandes. Die Beiträge stammen wie immer von Heimatforschern und Fachwissenschaftlern aus Deutschland wie dem Elsass.
Neben dem Schwerpunkt gibt es wieder freie Beiträge wie »Das Bildungsangebot der Schulstadt Offenburg – vor 500 Jahren« (Eugen Hillenbrand), über wandernde Fotografen in der Ortenau (Hans-R. Fluck) oder über »mutige Frauen vom Stollengrund« in Nordrach (Rolf Oswald); es gibt ein Forum, Beiträge aus den Mitgliedergruppen und neue Literatur.

Akribische Notizen
Die »Ortenau« ist wieder ein bisschen dicker geraten als geplant mit ihren 640 Seiten, geben Kaufmann und Martin Ruch schmunzelnd zu. Allerdings ist sie nicht nur physisch schwergewichtig. Ruch, seit 15 Jahren Redakteur der Zeitschrift, verweist auf zwei elsässische Beiträge: »Notizen und Bilder über das Straßburger Priesterseminar als Feldlazarett« (Louis Schlaefli) und über die »Beschlagnahme der elsässischen Glocken« (Christine Muller). Beide Aufsätze sind ein wahrer Fundus an historischen Texten und Fotos.

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Dass die Autoren das Geschehen so präzise nachvollziehen konnten, verdanken sie den akribischen Notizen der Beteiligten. Der eine Chronist ist Joseph Gass, Domherr, Professor, Theologe in Straßburg und am Priesterseminar. Seine persönliche Geschichte spiegelt zudem auf anschauliche Weise die deutsch-elsässischen Wirrnisse jener Zeit. Emile Herzog ist es unter anderem zu verdanken, dass nicht nur alle elsässischen Glocken bekannt sind, sondern dass die noch vorhandenen nach dem Krieg zurückgebracht werden konnten. Die Bronze der elsässischen Glocken wurde ab 1916 nämlich für die deutschen Kanonen benötigt – und die Unterlagen zeigen die unterschiedlichen Haltungen und Interessenslagen. Auch dieser Aufsatz lebt von den beredten schriftlichen Zeugnissen sowie zahlreichen Fotos. Sehr spannend liest sich auch der Bericht über die Literaten im Elsass und in Lothringen und wie sie den Krieg verarbeiteten (Stefan Woltersdorff).

Viele Einzelschicksale
Karl-August Lehmann gibt einen anschaulichen Eindruck von dem, was der Krieg für ein Dorf wie Oberharmersbach bedeutete. Ebenso alltagsgeschichtlich wertvoll sind die Beiträge von Manfred Merker über »gymnasiale Kriegsbegeisterung« und die Erlebnisse des Emil Huber aus Offenburg, des jüngsten deutschen Kriegsfreiwilligen. Weitere Einzelschicksale lassen das Grauen greifbar werden – wie das des Andreas Kaufmann (Wolfram Graß) aus Windschläg oder des Max Jörger aus Achern (Gernot Joerger).
Das Schicksal des 9. Badischen Infanterie-Regimentes Nr. 170 aus Offenburg (Frank Armbruster) zeichnet ebenfalls auf eindringliche Weise das Drama der Zeit nach: von jubelnder Euphorie zu grausamer Desillusionierung. Von Ruch stammen zwei Aufsätze zur Situation der jüdischen Bevölkerung. Jüdische Männer erhofften sich durch ihre patriotische Haltung Anerkennung als vollwertige deutsche Bürger – und wurden maßlos gedemütigt. Wie 1916 mit der »Judenzählung« des Kriegsministeriums, deren Ergebnisse nie bekannt wurden und deren Sinn sich bis heute nicht erschießt. »Ein trauriges Kapitel auch in Offenburg«, sagt Ruch.

Der »Erste Weltkrieg in der Ortenau und im Elsass« wird unter unterschiedlichsten Aspekten beleuchtet und in wohltuend individueller Weise aufgearbeitet. Texte und Fotos helfen, die Menschen der Anonymität zu entreißen.

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