Ballett "Giselle"

Lebensgefährliche Tänze in der Nacht

Jürgen Haberer
Lesezeit 3 Minuten
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16. Dezember 2014

Graziös und auf technisch hohem Niveau erzählten die Tänzerinnen des Russischen Nationalballetts die romantische Geschichte von »Giselle«. ©Jürgen Haberer

Das Gastspiel des Russischen Nationalballetts zählt in Lahr längst zu den festen Traditionen der Adventszeit. Am Freitagabend stand »Giselle« auf dem Programm, eine romantische Geschichte nach einer von Dichter  Heinrich Heine 1835 interpretierten Volkssage.

»Wilis« sind vor ihrer Hochzeit verstorbene Mädchen, die von einer ungestillten Lust getrieben nachts ihre Gräber verlassen, um an Wegkreuzungen und auf Waldlichtungen zu tanzen. Ihr Anblick ist betörend, eine Begegnung mit ihnen aber höchst gefährlich. Wenn sie einem Mann habhaft werden, tanzen sie mit ihm wild und leidenschaftlich, bis er vor Erschöpfung tot umfällt.

Die aus der slawischen Mythologie überlieferte, von Heinrich Heine in dem Buch »D’ Allemagne« interpretierte Volkssage, stellt eine Steilvorlage für ein Ballett dar, die 1841 von dem französischen Schriftsteller und Librettisten Théophile Gautier und dem Komponisten Adolphe Charles Adam aufgegriffen wurde. Mit dem im selben Jahr an der Pariser Oper uraufgeführten Ballett »Giselle« landeten die beiden einen Welterfolg, der längst zum Standardrepertoire bedeutender Ballettcompagnien zählt. Die in der Lahrer Stadthalle gezeigte Fassung basiert auf einer Choreographie von Marius Petipa, dem Vater des klassischen Balletts, der fast ein halbes Jahrhundert lang am weltberühmten Mariinski-Theater in St. Petersburg wirkte.

Die Vorgabe für die Inszenierung des Russischen Nationalballetts ist klar umrissen. Sie folgt den Traditionen der russischen Schule, einem überaus schwelgerischen, durch und durch klassischen Ansatz, den das zur Zeit der Perestroika gegründete Ballett in all seinen Choreographien förmlich zelebriert.

Es gibt keine Zugeständnisse an den Zeitgeist, keine Versuche einer modernen Deutung. Das Russische Nationalballett lebt auf höchstem technischen Niveau die Tradition. Es verzaubert damit seit fast einem Jahrzehnt das Lahrer Publikum, verzückt es immer wieder neu mit seinen Gastspielen in der Adventszeit.

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»Giselle« macht dabei keine Ausnahme, obwohl das Ballett nur im ersten Teil mit einer echten Handlung aufwartet. Das Bauernmädchen Giselle (Anna Seregina) betört den Prinzen Albrecht (Filipp Parkachev), der sich als Bauer verkleidet in ihr Dorf schleicht und ihr ewige Liebe schwört, obwohl er bereits mit der Fürstentochter Barthilde (Anastasiia Abramova) verlobt ist. Der ebenfalls in Giselle verliebte Wildhüter Hilarion (Konstantin Dunaev) deckt das Doppelspiel des Prinzen auf. Giselle erleidet einen Schock und stirbt in den Armen ihrer Mutter.

Der zweite Teil spielt dann an ihrem Grabe. Die von ihrer Königin (Anastasiia Abramova) angeführten »Wilis« kommen, um Giselle in ihren Kreis aufzunehmen. Hilarion stirbt beim Tanz mit ihnen, auch Albrecht gerät in ihre Fänge, überlebt am Ende nur, weil das Morgengrauen den Zauber der »Wilis« bricht.

Die im ersten Teil noch mit bunten Bildern und lebhaften Szenen aufwartende Aufführung konzentriert sich im zweiten Teil ganz auf die exzessive Seite des Balletts, auf das Tanzen um des Tanzens Willen. Die beeindruckende Grazie und Eleganz des Corps, die Faszination perfekter Formationstänze wird durch die Ausdruckskraft, die Sprungtechnik der als Primaballerina fulminant auftrumpfenden Anastasiia Abramova noch einmal in den Schatten gestellt.

Auch Giselle und ihr Prinz glänzen mit einer Reihe Darbietungen, die das Publikum immer wieder zu Szenenapplaus animierte.

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