Festspielhaus Baden-Baden

»Mainstream gibt es bei uns nicht«

Jutta Hagedorn
Lesezeit 5 Minuten
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19. September 2014

Das Mariinsky-Theater St. Petersburg präsentiert wieder »Schwanensee«. ©Festspielhaus

»Hochspannung« ist angesagt im Festspielhaus, wenn jetzt die neue Saison beginnt – nämlich etwa bei Rolando Villazóns »Traviata« mit Olga Peretyatko, sagt Festspielchef Andreas Mölich-Zebhauser im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. Und auch sonst ist er ziemlich guter Dinge, was sein Haus betrifft.

Baden-Baden. Festspielhaus-Intendant Andreas Mölich-Zebhauser ist guter Dinge an diesem Nachmittag. Schließlich kann er sich auf eine eindrucksvolle neue Saison freuen. Die aber auch nicht ganz billig sei, gibt er zu. Man drehe ein »großes Rad«, aber »die wirtschaftliche Entwicklung ist gut«, man habe drei neue Stifter und ein Volumen von immerhin neun Millionen Euro privaten Fördergeldern.
Dennoch müsse man sich beschränken, aber das Festspielhaus kommt weiter ohne öffentliche Subvention aus.  Seine Ideen von einem Ballettfestival mit täglich wechselnden Compagnien oder einer eigenproduzierten Operette müsse er da noch zurückstellen. »Dafür opfere ich keine Oper«, betont er, »denn damit steht und fällt unser guter Ruf«. Dann sind da noch die Osterfestspiele. »Mit den Berliner Philharmonikern haben wir uns ein wirtschaftliches Päckchen aufgeladen«, sagt Andreas Mölich-Zebhauser offen.
Trotzdem gibt es wieder vier szenische und vier konzertante Opern bis Sommer 2015. »Das geht irgendwie«, sagte er verschmitzt schmunzelnd. »So was von gespannt« sei er zum Beispiel auf Strauss’ »Rosenkavalier« von Brigitte Fassbaender. Sie sei richtig auf die Idee einer Neuinszenierung »abgefahren« – immerhin hat sie selbst die Rolle des Octavian gesungen, könne ihn also »von beiden Seiten beleuchten«, meint  Mölich-Zebhauser.
Dass er erst jetzt, ein Jahr nach dem Jubiläum, die Strauss-Oper aufführe, nennt er »Kontrastprogramm«. Man müsse nicht landauf, landab die Werke eines Jubilars herunterspielen. Das sei langweilig. »Das Publikum hat da gar keine Erwartungen.«
Nicht minder schwärmerisch spricht er von Monteverdis »Traviata« – mit einer »ganz jungen Traviata«, Olga Peretyatko, und einem ebenso jungen Alfredo, Atalla Ayan. Rolando Villazón hatte 2012 mit Donizettis »Liebestrank« als Regisseur ein »hoch intelligentes Feuerwerk« abgebrannt. Mit seiner Inszenierung ist er der zweite Sänger, den Mölich-Zebhauser zur Regie bittet.
Valery Gergiev, der treue Verbündete des Festspielhauses, ist immer noch ein sensibles Thema, und Mölich-Zebhauser reagiert etwas verschnupft auf die Kritik an dessen Äußerungen über Putin. »Heute stehen wir vor einer ganz anderen Frage«, sagt Mölich-Zebhauser etwas sarkastisch – nämlich vor der Frage nach »Krieg und Frieden«.
Und dann sind da natürlich auch wieder die Ballette. Die Compagnie von John Neumeier Anfang Oktober mit Shakespeare Dances und Giselle, das Norwegische Nationalballett, das Mariinsky mit »Raymonda« und den Klassikern Schwanensee und Dornröschen zu Weihnachten. »Ein Muss und immer wieder schön«, meint Andreas Mölich-Zebhauser schmunzelnd.
Das Stichwort »intelligente Unterhaltung« führt zu Bayreuth. Ist die Furcht vor einer »Götterdämmerung« auf dem Grünen Hügel berechtigt? »Ich bin nach dem »Rheingold« abgereist«, gibt Mölich-Zebhauser zu. Diese »Rotzigkeit«, dieser »Zynismus« von Frank Castorf und dessen Inszenierung habe ihm extrem missfallen.
»Er entmündigt das Publikum«, aber leider sei das heute Mainstream. Mölich-Zebhauser kann Inszenierungen, in denen die Befindlichkeiten des Regisseurs wichtiger sind als die Intention des Autors, nicht leiden. »Ich möchte mich nicht belehren lassen!«. Und eben schon gar nicht von zynischen Regisseuren.
»Oper ist keine intellektuelle Kunstform. Oper ist die einzige Kunstform, in der man durch Emotionen verstehen kann«, zitiert er. Sie müsse Fragen stellen, berühren und sei Läuterung – aber bitte ohne künstliche Aktualisierung. Es hätte Katharina Wagner gut zu Gesicht gestanden, eine Aufführung wie den »Tannhäuser« abzusetzen.
Er könne sich bei vier Opern pro Jahr keine derartigen »Entgleisungen« wie beim »Tannhäuser« erlauben. »Bayreuth ist nicht mehr Maßstab setzend«, meint der Baden-Badener Intendant. Auch wenn Regisseur Hans Neuenfels mit seinem »Lohnengrin« eine Meisterschaft bewiesen habe wie nur wenige. Aber das reiche nicht.
Doch Bayreuth Konkurrenz machen? Nein, sagt Mölich-Zebhauser lachend. Potenzial genug wäre da, man könne sich musikalisch mit jedem Haus messen. Wichtigstes Herausstellungsmerkmal des Baden-Badener Festspielhauses seien aber die Arbeitsbedingungen für die Künstler – »die besten« Nur hier könnten sie ungestört zwei Wochen vor der Premiere arbeiten. International habe das Festspielhaus »die Schallmauer mit den Osterfestspielen durchbrochen«, andere Häuser blickten mit Interesse auf das Baden-Badener Haus, das eine so enorme Identifikation in der Region erfahre.
Nur im Szenischen, gibt Mölich-Zebhauser zu, habe man noch keine Maßstäbe gesetzt. »Das kann ich nicht behaupten.« Er habe noch keine »Revolution in der Inszenierung« erreicht – wie weiland Wieland Wagner. »Aber Mainstream gibt es bei uns auch nicht.«
»Wir müssen dem Publikum wieder erzählen, warum es sich lohnt, drei Stunden Musik zu hören« – darin sieht er seine Aufgabe. Hinter Forderungen nach neuen Formaten im Konzertbereich setzt er ein Fragezeichen.
Diese »Appetizer-Nummern« seien in Ordnung, solange man den höheren kulturellen Wert nicht aufgebe. Warum solle man die Zuschauer nicht der »Beglückung« durch die Musik in ihrer ganzen Länge aussetzen? Mölich-Zebhauser möchte Brücken zu den nachfolgenden Generationen bauen, zeigen, dass ein Konzert, eine Oper, einen Mehrwert hat und  wünscht sich ein »neues Bildungsbürgertum«, das das auch goutiere.

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Zur Person

Andreas Mölich-Zebhauser ist seit Mitte 1998 Intendant und Geschäftsführer Festspielhaus und Festspiele Baden-Baden gGmbH. 1952 in Hamburg geboren, Sohn des Operndirigenten Theo Mölich und der Sopranistin Ingeborg Mölich; 1978 Lehramt; 1979-91 italienischer Musikverlag Ricordi; 1980-1983 Studium Rechts- und Musikwissenschaft; Kunstgeschichte, BWL; 1991-1998 geschäftsführender Gesellschafter Ensemble Modern, Deutsche Ensemble-Akademie Frankfurt; initiierte 2000 private Trägerstiftung für das Festspielhaus, seit 2002 rein private Finanzierung des Betriebs; Mitglied im Rat der Hochschule für Musik, Karlsruhe; Präsident der Deutschen Ensemble Akademie, Frankfurt.

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