Markanter Vertreter figürlicher Malerei
Unter dem Titel »Materie und Gedächtnis« zeigt das Museum für Aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle in Durbach derzeit Arbeiten des Malers Norbert Tadeusz. Seine Bilder haben eine eigentümliche Perspektive.
Er war ein Unzeitgemäßer – nein, ein Popstar der Kunstszene wollte Norbert Tadeusz nie werden: »Ich bin kein Künstler, ich bin Maler«, stellte er in seinem letzten öffentlichen Interview beharrlich fest. Der 1940 in Dortmund geborene und 2011 in Düsseldorf gestorbene Tadeusz ist bis heute zweifelsohne einer der markantesten Vertreter figürlicher Malerei der Nachkriegszeit in Deutschland. Unter dem Titel »Materie und Gedächtnis« zeigt das Museum für Aktuelle Kunst in Durbach derzeit Arbeiten des Malers.
Tadeusz ist seiner Vorstellung und Idee von Malerei gegen alle Widerstände treu geblieben. Seine figürliche Malerei weist allerdings eine eigentümliche Perspektive auf. Oftmals wird das Motiv von oben herab betrachtet, als würde der Maler auf einer Leiter stehen – Tadeusz schafft neue Sichtweisen. Seine farbintensiven Bilder weisen oft seltsam bewegte oder verrenkte Körper auf – befremdliche Motive, die eine lebendige Symbiose mit ihren eigenen Schatten eingehen und die erst auf den zweiten Blick ihren metaphorischen Inhalt enthüllen. Dies gilt vor allem für die Akte, ein Thema, das sich durch sein gesamtes Schaffen zieht. In seinem Atelierbildern wird die Intimität des Nackten inmitten von schattigen Gittermustern in einem dramatischen Spannungsverhältnis gesetzt.
Tadeusz, immerhin drei Jahre lang Meisterschüler von Übervater Joseph Beuys, stand mit seiner figürlichen Malerei zunächst auf verlorenem Posten. In den 50ern bis in die 60er-Jahre hinein dominierte das Informel, die abstrakte Malerei. Sein Verhältnis zu den »denkenden«, sogenannten konzeptionellen Künstlern war nicht unbedingt das beste: »Die denken nicht. Sie behaupten immer, sie dächten. Aber das, was die denken, denken andere Menschen sowieso.« Schon während seines Studiums ging der spätere Kunstprofessor auf Distanz zu Pop-Art oder Bad-Painting. Er wollte nicht dem Zeitgeist nachrennen, kein »intellektueller Kunsttheoretiker« werden. Sein Blick ging zurück in die Kunstgeschichte, wo er seine Vorbilder fand.
Dynamische Szenen
Der Maler, der abwechselnd in Düsseldorf und in Castelnuovo d’Elsa (Italien) lebte, entdeckte dabei nicht nur die toskanische Landschaft, sondern die Faszination der Pferderennen auf der Piazza del Campo in Siena. Dort entstanden über Jahre wichtige Werke und Werkgruppen, darunter die »Palio«-Bilder. Seine raumfüllenden und dynamischen Szenen, wie die kraftvolle Darstellung stürzender Pferde, entfalten eine beeindruckende Präsenz – genauso intensiv wie die Darstellung zerteilter Ochsenleiber im Schlachthaus, wo das Fleisch in großformatigem Rot, Weiß und Violett in den kräftigsten Farben schillert.
Die in Durbach gezeigten 52 zum Teil monumentalen Gemälde geben einen repräsentativen Einblick in das überaus umfangreiche Oeuvre des Künstlers. Aus den mehr als vierzig Jahren künstlerischen Wirkens konzentriert sich die Ausstellung auf die letzten drei Schaffensjahrzehnte, in die die Entstehung der wichtigsten Werkgruppen des Künstlers fallen.
Kurator Roland Puff lässt in sieben Räumen, die sich jeweils einem Thema widmen, die universelle Idee Tadeusz’ von der Malerei nachspüren. Die Werke hat Künstlerin Petra Lemmerz –Muse und Witwe Tadeusz’ – zur Verfügung gestellt.
Hausherr Norbert Hurrle bedankte sich bei der Nachlassverwalterin und bezeichnete Tadeusz nicht zuletzt als »solitären Ausnahmekünstler«, der auf seine Weise deutsche Kunstgeschichte geschrieben habe. Seine Malerei sei berührend, eine Hymne an die klassischte aller Kunstmedien: »Sie ist ein Zusammenklang von Farbe, Struktur und Ornament, ein einziger gewaltiger Fundus und sprudelnder Quell für neue Künstlergenerationen«, so Hurrle.
Norbert Tadeusz, Materie und Gedächtnis, Museum für Aktuelle Kunst, Durbach; bis 15. November, Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 Uhr; Samstag, Sonntag und Feiertage von 11 bis 18 Uhr.