Musikalische Offenbarungen
Am »Ende des Regenbogens« riss es am Dienstag im Sasbachwaldener Kurhaus »Alde Gott« rund 300 Besucher von den Sitzen. Mit dem Auftritt von Quadro Nuevo ist dem Tonarten-Festival ein phänomenaler Start in das Konzertprogramm.
Sasbachwalden. Quadro Nuevo sind seit 18 Jahren Weltreisende in Sachen Musik. »Wir waren schon fast überall, nur in Rio, Moskau und Sasbachwalden noch nicht«, flachste Mulo Francel bei der Begrüßung des Publikums. Über 3000 Konzerte hat das Quartett bisher gegeben und dabei viele Preise, darunter 13 German Jazz Awards und zwei Jazz-Echos, abkassiert.
Jazz? Diese Schublade ist der Gruppe längst viel zu klein geworden! Journalisten etikettieren Quadro Nuevo gerne mit dem Label »Weltmusik«. Das mag schon eher hinkommen, trifft aber nur für einen kleinen Teil der Stücke zu. Piazollas »Oblivion« zum Beispiel ist und bleibt ein »Tango Nuevo«. Wer ihn kennt und liebt, hat ihn schon hundertmal von einer Heerschar von Interpreten gehört. In der Bearbeitung von Quadro Nuevo mit dem genialen Andreas Hinterseher am Bandoneon erhält jedoch das sehr feinfühlig und virtuos interpretierte Kleinod einen neuen, zutiefst inspirierten goldenen Glanz.
Die vier Musiker haben einige Tangos in ihrem aktuellen »Regenbogen«-Programm, kein Wunder, spielten sie doch schon wiederholt, zuletzt im Januar, in Argentinien. »Der Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann. Man kann ihn auch anhören, ihn genießen, ihn verschlingen. Und allzu traurig muss er auch nicht immer sein!«, heißt es im Mutterland des Genres. In Sasbachwalden wurden die Tangos allesamt mit großer Freude verschlungen.
Dem enthusiastisch mitgehenden Tonarten-Publikum wurde darüber hinaus die ganze Bandbreite des Quadro-Nuevo-Repertoires geboten. Bei der Eigenkomposition »Adventure«, mit seinem pfeilgerade ins Mittelalter katapultierenden Harfeneinstieg, sollte sich das Publikum vorstellen, einfach einmal unter der Decke des Kurhauses zu schweben oder den Sasbach hinunterzurutschen, sich mit ihm von einen Fluss in den anderen durch viele Länder treiben zu lassen, zwischendurch »gegen Lindwürmer und Jungfrauen zu kämpfen« oder ein Einhorn zu streicheln, bis sich am Ende die Welt der Mythen am Schwarzen Meer erschöpft und ein neues Lied auf den Reisenden wartet.
Geschichten wie diese oder die köstlich ironische, über Goethes Italienreise drapierte Denkfolie hatte Mulo Francel noch einige auf Lager, an deren Ende er immer eine mitreißend musikalische Offenbarung in den Mittelpunkt rückte, der zu lauschen die Besucher regelrecht verzückte.
Die Stärken und außergewöhnlichen Talente der Musiker Mulo Francel (Saxofone, Klarinetten, Mandoline, Sansula), D. D. Lowka (Kontrabass, Percussion), Andreas Hinterseher (Akkordeon, Bandoneon, Vibrandoneon) und Evelyn Huber (Harfe, Salterio) aufzuzählen, würde ins Uferlose führen.
Auch nach den Höhepunkten des Konzerts zu fragen erübrigt sich. Der eine stammelte entzückt »Parole, Parole«, der andere hatte einen Narren an der »Torna Sorrento« gefressen, »Que reste-t-il de nos amours?« schwärmte eine Dame melancholisch, »der 7/8 Takt bei Prinzessin Josefina war ein Hochgenuss«, murmelte der Fachmann. Die Schlange am CD-Stand, an der das Quartett bereits in der Pause mit vollen Einsatz signierte, sprach für sich.