Nachtigall – oder doch Lerche?
Das Karlsruher Figurentheater »Marotte« ließ in seiner Version von Shakespeares »Romeo und Julia« die Puppen tanzen. Im Rahmen der »Puppenparade Ortenau« erweckten Friederike Krahl und Carsten Dittrich das berühmteste Liebespaar der Literatur zum Leben und gaben der Tragödie ihren Lauf.
Oberkirch. Die Geschichte ist bekannt: Romeo Montague sieht die blutjunge Julia Capulet, beide sind schockverliebt und haben ein Problem: Ihre Familien sind bis aufs Blut verfeindet. Im Namen der Feindschaft tötet Julias Cousin Romeos besten Freund, worauf Romeo wutentbrannt Cousin Tybalt ersticht. Romeo muss fliehen, und Julia soll verkuppelt werden. Trotz Familienzwist und allen widrigen Umständen heiraten die Liebenden, kaum dass sie sich 24 Stunden kennen.
Pater Lorenzo ist ihnen nicht nur dabei behilflich, er besorgt Julia auch einen Schlaftrunk, der sie tot erscheinen lasst. Nur leider weiß Romeo nichts von diesem Plan. Er sieht Julia leblos, trinkt Gift (dieses Mal echtes), Julia wacht auf, sieht ihren toten Geliebten und ersticht sich.
Unzählige Versionen – von Bernstein bis Kishon – dieser berühmtesten Liebesromanze gibt es, und auch die Puppenspieler in Oberkirch machen mit beim grausamen Spiel. So ist es die Puppenspielerin, die den Becher voll des Schlaftrunkes zu Julias Mund führt und das katastrophale Ende der beiden Liebenden damit einleitet.
Tränenreich treffen nach der Trauerfeier Graf Montague (Carsten Dittrich) und Gräfin Capulet (Friederike Krahl) aufeinander. Entgegen der Vorlage von Shakespeare schaffen sie es nicht sich zu versöhnen, sondern beschuldigen sich gegenseitig: Fechtkampf mit Regenschirmen, sodass der alte Familienzwist wieder aufbricht.
Elegante Ausstattung
Dennoch lassen sie die vergangene Tragödie Revue passieren und die Gruft öffnet sich zur Guckkastenbühne mit großer Wandlungsfähigkeit. Innerhalb weniger Augenblicke wird sie vom Park zum Ballsaal der Familie Capulet mit einer wunderschönen, eleganten Ausstattung, dem mittelalterlichen Stoff entsprechend.
Nur wenige der Holzpuppen sind voll bewegliche Marionetten wie Romeo und Julia, die meisten haben nur Fäden an den Armen und werden an einem Stab geführt. Die Gesichtszüge sind jedoch bei allen absolut lebendig, sehr charaktervoll gestaltet. Zum Leben erweckt werden sie in großartiger Weise und in unterschiedlichen Stimmlagen durch Krahl und Dittrich, beide Schau- und Puppenspieler, Regisseure und Autoren, die unter der Regie von Therese Thomaschke der Tragödie ihren Lauf geben.
Neben frei gesprochenen, auch improvisierten Textpassagen, wenn die Schauspieler in die Handlung eintreten, die Szenen durch Zwischenspiele verbinden oder anstelle der Puppen im Degenduell wirbeln, halten sie sich in den Schlüsselszenen an das Original – und das sehr anrührend und nahegehend. Ideenreich und sehr romantisch wandelt sich die Bühne zur Hochzeitsnacht von Romeo und Julia, viel zu schnell beendet durch ein Lerchenlied – oder doch durch die Nachtigall?
Das Publikum, auch junges – war begeistert von dieser eindrücklichen Inszenierung, die den 1. Preis für Jugendtheater der Stadt Karlsruhe erhielt.
Als Abschluss der »Ortenauer Puppenparade«, die noch bis zum 29. März dauert, wird im Oberkircher freche hus eine Inszenierung von Dittrichs Theater »Fiesemadände« zu sehen sein: Es ist ihm gelungen, die Rechte für Peter Maffays Musical »Tabluga & Lilli« zu erhalten – natürlich als Puppenspiel.