»Oskar und die Dame in Rosa« bewegte die Zuschauer tief
Ein schweres Schicksal wurde behutsam in Szene gesetzt: Das Dresdner Figurentheater Cornelia Fritzsche spielte am Mittwochabend im »freche hus« Éric-Emmanuel Schmitts Erzählung »Oskar und die Dame in Rosa«.
Der französische Erfolgsautor Éric-Emmanuel Schmitt und sein zehnjähriger Protagonist Oskar teilen dasselbe Schicksal: Sie erkrankten an Leukämie. Der Junge Éric-Emmanuel hatte Glück, er wurde wieder gesund. Oskar hingegen sieht sich selbst als hoffnungslosen Fall, was er den Reaktionen seiner Ärzte und Eltern entnimmt: »Je mehr der Doktor mit den traurigen Augen schweigt, desto mehr fühle ich mich schuldig.«
Tapfer erträgt der kranke Junge Chemotherapie und Knochenmarktransplantation – beides ohne Besserung seines Zustandes. Oskar begreift, dass er sterben wird, doch seine Eltern verweigern jegliche Thematisierung des Todes. Da begegnet ihm die alte Dame in Rosa – in Frankreich ehrenamtliche Helferinnen, die Hospiz-Aufgaben übernehmen. Sie wird Oskars Mentorin.
Oma Rosa fordert ihn auf, Gott seine Gedanken, Gefühle und Ängste in Briefen mitzuteilen und jeden Tag wie zehn Jahre seines Lebens wahrzunehmen. Auf erstaunliche Weise erlebt er die Pubertät, das Erwachsenendasein und das Alter. Es gelingt ihm sogar, sein Umfeld in die Fantasie mit einzubeziehen. In zehn Tagen durchläuft er mithilfe Oma Rosas ein ganzes Leben, und die Zuschauer spüren, dass der nahende Tod die Zeit intensiver erlebbar macht.
Friedlicher Tod
Oma Rosa bringt sogar eine Versöhnung zwischen Eltern und Sohn zustande, denn sie beschwichtigt nicht und schweigt nicht, wenn andere sprachlos sind. »Auf seine alten Tage« versöhnt, stirbt Oskar friedlich und hinterlässt die Notiz: »Nur der liebe Gott darf mich wecken.«
»Oskar und die Dame in Rosa« ist Teil von Schmitts Trilogie über die Weltreligionen. Sie ist dem Christentum gewidmet. Und obwohl dauernd über Gott geredet wird, geschieht das nie frömmelnd oder einseitig christlich. Schmitts Stil, praktische Lebensphilosophie und Fragen nach dem Sinn des Lebens und des Leidens in einer verblüffend offenen Art in intelligentem Unterhaltungstheater unterzubringen, birgt Gefahr, platt und rührselig daherzukommen. Der Gefahr unterliegen weder der Autor noch die Puppenspielerin.
Unglaubliche Reife
Das von Irene Voß sorgsam in Szene gesetzte und von Cornelia Fritzsche behutsam, aber sehr differenziert gespielte Schicksal Oskars droht nie, in sentimentalen Kitsch umzuschlagen. Das Spiel lebt von der akribischen Spielweise Fritzsches und von den wundervollen Figuren, die ins tatsächliche Leben zu geraten scheinen. Die Regisseurin hat aus der Erzählung eine 90-minütige Fassung geschnitten. Cornelia Fritzsche agiert als Oskar jungenhaft, altklug, sensibel, komisch, liebenswert und Oma Rosa als kluge, lebenserfahrene Partnerin, die mit ihrer pragmatischen Art der Kommunikation die Ängste des Jungen ernst nimmt und ihn damit zu einer unglaublichen Reife führt.
Vor dem intensivem Applaus herrschte nach der Aufführung zuerst eine lange Stille. Die Zuschauer waren berührt, wie menschlich und ganz im Leben stehend mit dem Tod umgegangen wird. Etliche Zuschauer schilderten anschließend der Künstlerin ihre Emotionen.