Osterfestspiele im Festspielhaus Baden-Baden
Nach zehn Tagen und fast 40 Veranstaltungen gingen die zweiten Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker in Baden-Baden zu Ende. Rund 30.000 Besucher aus fast 30 Ländern erlebten ein farbiges Programm vom Star- bis zum Kofferkonzert.
Auch bei ihren zweiten Osterfestspielen im Baden-Badener Festspielhaus hinterließen Musiker und Programm einen bleibenden Eindruck. Neu war die Inszenierung von »Manon Lescaux«. Trotz einiger Unsinnigkeiten auf der Bühne war es eine emotionale, wuchtige, Sache. Sehr italienisch, nichts für deutsche Feingeister und einige große Zeitungen. Das Publikum feierte Sänger und Musiker.
Interessant waren zwei Kammeropern, die an die glorreichen Deutschen Kammermusiktage in den 20er-Jahren erinnerten: Kurt Weills »Mahagonny Songspiel« und Paul Hindemiths »Lehrstück«, beide mit Texten von Brecht, der damals Regie führte und für einen Skandal sorgte. Diese Stücke grub man aus, reicherte sie mit Pantomine, weiteren Texten und Musiken an und präsentierte sie im Theater als »Skandal in Baden-Baden«. Natürlich gab es keinen Skandal, dafür musizierten junge Musiker aus Berlin, aus Baden-Württemberg und Baden-Baden mit viel Schwung und Witz. Regie Alexander Fahima, Dirigent Stanley Dodds.
Die szenischen und musikalischen Zutaten trugen zwar nicht zur Verständlichkeit bei, wohl aber zum Vergnügen. Sehr schön die Sonate für Solo-Bratsche, köstlich die »Ouvertüre zum Fliegenden Holländer, wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 vom Blatt spielt«; beides von Hindemith. Doch insgesamt merkt man, dass Brecht, im Gegensatz zu Bach, historisch geworden ist.
Musikfest der Berliner
Unterhaltsam war wieder das »Musikfest der Berliner«, sehr witzig von Klaus Wallendorf moderiert. Die Holzbläser glänzten im ersten, die Blechbläser im zweiten Teil mit Bearbeitungen von Rossini, Ponchielli, Pergolesi und anderen. In der Mitte die »Folk Songs« von Luciano Berio mit Magdalena Kozená und Vivaldis »Die vier Jahreszeiten« mit den Berliner Barock-Solisten und dem Geiger Daishin Kashimoto, die mit atemberaubender Energie und Virtuosität diese oft runtergespielte Musik zu einem Ereignis machten.
Intim, ja familiär waren die 14 Meisterkonzerte der Philharmoniker um 11 und 14 Uhr. Die Programme waren gut auf die schönen Räume abgestimmt: Modernes im Burda-Museum, Barockes im prunkvollen Florentinersaal des Casinos, Heiteres im Malersaal des Dorint Hotels. Diese informellen, kurzen und preiswerten Konzerte sind, wie Rattle das formuliert, »die Tapas-Bar« der Berliner. Zugreifen und genießen. Immer ausverkauft, viele einheimische Zuhörer.
Virtuos war das letzte Konzert am Ostersonntag mit Werken von Ligeti, Wagner, Strawinsky und Elgar. Die argentinische Schönheit Sol Gabetta fegt alle Resignation und Melancholie aus dem Cellokonzert von Elgar. Sie spielt lebhaft, kraftvoll, heiter, erinnert an die junge Anne-Sophie Mutter. Ligeti und Lohengrin-Vorspiel, eng verbunden, war Musik aus dem Jenseits. Und schließlich tobt sich das Orchester im Klang- und Farbenrausch des »Sacre du Prin-temps« von Strawinsky aus. Das ist Weltklasse.
Ergreifend aber war »Die Johannespassion«. Sie war, wie Mahlers »Auferstehungs-sinfonie« im Vorjahr, das große Ereignis dieser Osterfestspiele. Vor dem Rundfunkchor Berlin, vor Mark Padmore als Evangelist, Peter Sellars als Regisseur und Simon Rattle als Dirigenten hätte Bach respektvoll seinen Hut gezogen. Und wir, das Publikum, sind erschüttert und zutiefst dankbar. Das größte Geschenk, das die Berliner den Osterfestspielen machen könnte, wäre die Wiederaufnahme der »Matthäuspassion« in dieser Besetzung. In diesem Sinn: Auf wieder sehen und wieder hören.