Patricia Kaas mit einem Hauch von Drama und Erotik
Es brauchte ein paar Titel, bis sich das Publikum an den neuen Stil gewöhnt hatte: Zwar war Patricia Kaas im Festspielhaus Baden-Baden mit einem bewundernden »Wow« empfangen worden, aber die bekannten, mitreißenden Songs kamen – natürlich –erst später. Zunächst stellte die Sängerin sich neu vor: mit Titeln ihrer aktuellen CD im Kerzenschein auf der Bühne.
Dort war sie schnell in ihrem Element, nachdem der Lichtkegel sie aus dem Bühnenhintergrund herausgeschält hatte – im langen schwarzen Kleid, sportiv-rockig mit nietenbesetztem Gürtel um die schlanke Taille. Sie kokettierte mit ihrer Band, tanzte zum Sound ihrer Musik – durchaus auch als Derwisch. Ihr blondes Haar flog hin und her – und ließ Schmollmund und Augen lasziv hinter den kinnlangen Haarsträhnen verschwinden.
Sie begrüßte schließlich ihre Zuhörer gleichermaßen schlicht wie charmant. Tenor: Wir kennen uns schon lange, jetzt bin ich hier – einfach Patricia Kaas, so wie auch die nach längerer Pause im Herbst erschienene CD heißt.
Chansons neu arrangiert
Die Spezialität von Kaas und ihrer Band war, dass sie an diesem Abend durch alle Stile führte: Chansons waren dabei, Jazz und Blues sowieso. So räumte sie beispielsweise mit ihrem frühen Titel »Mademoiselle chante le blues« auf. Er wurde, wie viele andere auch, neu arrangiert. Bei »Les hommes qui passent«, einem der Hits aus den 90er-Jahren, wurden beispielsweise E-Cello und Geige eingesetzt.
Dann tauchte im aufwendigen Bühnenbild, bei dem immer mal eine Lampe leuchtet oder scheinbar brennende Reifen Atmosphäre schufen, eine Schaukel auf. Lichtblitze an den Seilen, raffinierte Effekte vor einem rauschenden Meer begleiteten den Titel »La Maison en bord de Mer«, in dem es um Inzest geht.
Liebe, Selbstvertrauen, Trauer und Erschöpfung – Kaas verkörpert ihre Themen mit expressiven Gesten. Sie ist die Drama-Queen, die jedes ihrer Stücke inszeniert. Bei »Entrer la lumière« sank sie effektvoll zu Boden, bei anderer Gelegenheit krümmte sie sich. Und immer waren die Hände in Bewegung. Auch mal zum Klatschen, wozu sie ihr Publikum leicht animieren konnte. Zeit, das Publikum einzubinden, nahm sie sich auch bei »Mon mec à moi«. Kaas verteilte die Rollen, gab Einsätze und ließ das Publikum ein paar Tonfolgen summen. Mitklatschen, aufstehen – Kaas wollte die Show ja nicht nur alleine machen.
Flirt mit dem Publikum
Sie flirtete mit ihren Zuhörern auch, als sie sich an den Bühnenrand setzte. Ob der hält? Falls nein, sitzt sie eben mal in der ersten Reihe. Doch alles ging gut bei »Adele«. Zum ersten und einzigen Mal kommentierte sie den Inhalt: »Es geht um ein Mädchen, das man im Leben führen muss, denn es ist nicht immer leicht, eine Frau zu sein.« Und dann war sie wieder da, diese Stimme, rauchig, kraftvoll und im rechten Moment zart.
Ihre fünfköpfige Band ist neu; ständig wurden die Instrumente gewechselt, die Bühne war voll davon. Thomas an der Gitarre schien jede ihrer Stimmungen fein zu reflektieren, während Adam an den Percussions voller Freude ein energievoller Taktgeber war. »Sie sind eitel«, flüsterte sie am Schluss ihrem Publikum zu und ließ jeden Einzelnen wieder auf die Bühne rufen.
Eines ist sicher: Die 50-jährige Sängerin ist ein Energiebündel. Gut zwei Stunden rockte sie das Festspielhaus – ohne Pause, versteht sich. Sie war nur einmal kurz verschwunden, um sich umzuziehen. Die hochhackigen Stilettos freilich schienen kein bisschen bequemer zu sein als die Sandalen davor. Irgendwann setzte sie sich auch kurz hin und zog sie wieder aus: »Die Frauen werden das verstehen.« Und bewundern.