Streitbare Frauen

Revolutionen und die Frauen

Jutta Hagedorn
Lesezeit 4 Minuten
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17. September 2016
»Die Gouvernante«, eine zeitgenössische Darstellung von Emily Mary Osborn.

»Die Gouvernante«, eine zeitgenössische Darstellung von Emily Mary Osborn. ©privat

Beeinflusst durch die Französische Revolution gingen auch in Deutschland immer mehr Frauen an die Öffentlichkeit mit ihren Forderungen nach gleichen Rechten für alle. Mathilde Franziska Anneke oder Amalie Struwe sind nur zwei von ihnen.
 

1789 in Frankreich: Charlotte Corday ermordet den Revolutionär Marat – aus politischen Gründen, Olympe de Gouge gibt eine Erklärung der »Rechte der Frau und Bürgerin« ab.
Und in Deutschland propagieren die Moralischen Wochenzeitschriften um 1800 das Bild der modernen, gebildeten, gelehrten Frau. Problem war nur: Es gab so gut wie keine Bildungseinrichtung, die den Frauen diese Gelehrsamkeit hätte vermitteln können.
Vielleicht dadurch mit bedingt, änderte sich die Haltung gegenüber Frauen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nicht nur in Deutschland, sondern auch zum Beispiel in England, wie die Klagen von Mary Wollstonecraft und Mary Ann Radcliffe zeigen. Auf einmal war die Rede von einem »natürlichen Geschlechtscharakter« der Frau, der nichts mehr mit Verstand und Gelehrsamkeit zu tun hatte und den man nicht müde wurde, von allen Seiten zu diskutieren und zu etablieren: Tugend, Fleiß, Sittsamkeit, Keuschheit – und dass sich die Frau demütig dem Willen des Mannes unterordnet. 
Es lief darauf hinaus, dass Frauen keine »Subjekte« waren, also mündige und selbstständige Wesen, die entsprechend handeln und denken konnten, und deswegen auch die Vormundschaft des Mannes benötigten.
Hatte man einmal diese Definition aufgestellt und begonnen, in ihrem Sinne zu handeln, wurde auch ziemlich bald der Beweis für die Ausgangsthese erbracht. Durch die Haltung der Gesellschaft »domestiziert«, wie Wollstonecraft es ausdrückte, wurde die Frau genau zu dem Wesen, von dem die männliche Gesellschaft meinte, es sei »natürlich«, das Wollstoncraft aber als »dumm« bezeichnete.

Gleichberechtigt arbeiten

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Die Haltung gegenüber den Frauen funktionierte allerdings nur im Bürgertum.  Frauen des Adels hatten eine andere Position, und in der Arbeiterschaft war es geradezu notwendig, dass sie gleichberechtigt neben dem Mann arbeiteten und handelten, allein schon um die Existenz der Familie zu sichern. 
Unterstützt durch die aufklärerische Atmosphäre um 1800, hatten diejenigen Frauen, die eine schulische Ausbildung genossen hatten, die Chance ergriffen, sich schreibend zu äußern. Es war die Zeit der Zeitungsgründungen. Publikationsmöglichkeiten gab es also. Und genug Themen. Etliche Frauen machten sich als Redakteurinnen, Verlegerinnen, Autorinnen einen Namen, verdienten sich auf »ehrbare« Weise ihren Lebensunterhalt, waren mehr oder weniger autonom. Verhältnismäßig gebildet mit Zugang zu Zeitungen und Publikationsmöglichkeiten, mischten sie sich über kurz oder lang auch politisch ein. Wie Sophie von La Roche, die  Texte zur Mädchenerziehung publizierte. Frauen eroberten den Markt und gründeten Vereine – oft Frauenbildungsvereine. In anderen Vereinen machten sie fast 40 Prozent der Mitglieder aus.
Ida Hahn-Hahn, Luise Dittmar, Fanny Lewald, Louise Anston wehrten sich gegen die bürgerliche Doppelmoral, Dittmar kritisierte die Religion respektive die Kirche als Mitverursacherin der Benachteiligung der Frau, propagierte frühsozialistische Ideen von Gleichheit und Menschenrechten. Kathinka Zitz diskutierte die Institution Ehe, Louise Anston, ein Freigeist wie George Sand, die wie diese Männerkleidung trug, provozierte einen Skandal, weil sie freie Sexualität forderte – auch für Frauen.

Als "Mannweib" beschimpft

Die 48er-Revolution rief die Frauen erst recht auf den Plan. Und jetzt nicht nur als schreibende Kritikerinnen – sie griffen zum Teil auch aktiv in das Geschehen ein oder sogar zu den Waffen wie Mathilde Franziska Anneke, die ihren Mann hoch zu Ross begleitete und daraufhin als »Mannweib« beschimpft wurde. 
Louise Otto-Peters hatte bereits 1843 öffentlich in den Sächsischen Vaterlandsblättern vehement die Meinung vertreten, Frauen hätten nicht nur das Recht, an den Interessen des Staates teilzunehmen, sondern sogar die Pflicht.
Johanna Kinkel, Elise Blenker, Mathilde Franziska Anneke, Amalie Struwe und Emma Herwegh ließen sich neben Anston und Otto-Peters weder den Mund verbieten noch den Schneid abkaufen. Sie schrieben gegen jede Form von Unterdrückung an, sei sie politischer oder sozialer Natur, äußerten selbstbewusst ihre Meinung – oder griffen eben zu den Waffen.
Die Frauen bewiesen Mut, denn so einfach, wie es sich anhören mag, waren ihre Bedingungen nicht. Sie mussten jederzeit mit empfindlichen behördlichen Maßnahmen rechnen, mit Zensur, Hausdurchsuchungen oder Gefängnis. In vielen Ländern war es Frauen untersagt, in Vereinen aktiv zu sein, Zeitungen herauszugeben oder sich politisch zu betätigen. Dennoch ließen sie sich nicht abschrecken. Lieber flohen sie und machten woanders weiter. 

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