Freilichtspiele Seelbach

Romeo und Julia im Discofieber

Jürgen Haberer
Lesezeit 3 Minuten
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15. September 2014

Eine Szene, wie sie nicht im Drehbuch steht: Julia (Kristina Fehse, Mitte) ihre Mutter (Katja Thost-Hauser, rechts) und Amme Jenny Thost (links) warten bei einem Regenschauer, bis sich das Publikum die Regencapes übergezogen hat. ©Jürgen Haberer

Katja Thost-Hauser liefert eine zumindest bis zur Pause wunderbar spritzige Inszenierung von William Shakespeares Tragödie »Romeo & Julia« ab. Die Premiere im Seelbacher Klostergarten am Samstagabend, bei der Akteure und Publikum Regenschauern trotzten, begeisterte.

Seelbach. »Wenn es irgendwie geht werden wir die Premiere unter freiem Himmel durchziehen«, lautete die Losung für die Auftaktvorstellung zur elften Auflage der Freilichtspiele Seelbach. Regisseurin Katja Thost-Hauser und ihr bunt zusammengewürfeltes Ensemble trotzten nicht nur tapfer dem immer wieder einsetzenden Regen. Die in den letzten Wochen vor Ort erarbeitete Neufassung von William Shakespeares »Romeo & Julia« überzeugte als spritziges Theaterspektakel, das sich erst nach der Pause zu einer Tragödie entwickelte.
Die Wiener Regisseurin und Schauspielerin punktete mit einer modernen, in den 1980er-Jahren plazierten Fassung, die lustvoll den Ansätzen des auch von William Shakespeare gepflegten Volksschauspiels huldigte. Allen ernsten Ansätzen des Stoffes zum Trotz pulsierte das Leben rund um die wieder einmal zur Bühne umfunktionierte Treppe des Seelbacher Klostergartens, sorgten gerade auch die Laiendarsteller aus dem Schuttertal für ein fröhliches Theatervergnügen.
Katja Thost-Hausers »Romeo & Julia« spielt im Grunde auf der Straße. Die sich im Epilog mit drohenden Gesten gegenüber stehenden Familien präsentieren sich als geschlossene Clans in einem Spannungsfeld zwischen Mafia und Jugendgang. Die Inszenierung spielt mit Wortwitz und der Musik der 1980er-Jahre. Die Kampfszenen auf den Straßen von Verona kokettieren mit den Bildern der »West Side Story«. Aktion und Tanz greifen ineinander, hinzu kommen die martialischen Gesten typischer Halbstarker und ein Hauch von Kung Fu.
Moderne Julia
Der von dem Wiener Schauspieler Raphael Cisar verkörperte Romeo tanzt dabei aus der Reihe. Er ist ein Träumer, der meist eigene Wege geht, bis er sich in die 14-jährige Tochter des Erzfeindes seiner Familie verliebt. Die von der Schuttertälerin Kristina Fehse gespielte Julia ist ein typischer Teenager. Sie geht mit ihren Freundinnen shoppen, gefällt sich in schrillen Kleidern und träumt doch von der romantischen Liebe. Das große Fest im Hause Capulet, bei dem sich die beiden erstmals begegnen und auf Anhieb verlieben, entpuppt sich als schrille, rauschende Disconacht. Der pulsierende erste Teil der Aufführung endet mit der heimlichen Trauung des Paares. Bruno Thost, der Vater der Freilichtspiele Seelbach, schlüpft dabei in die Rolle des Priesters Pater Lorenzo, der das Paar mit Strohhut und Hawaiihemd vor den Traualtar führt.
Der zweite Teil beginnt mit einer der typischen Kampfszenen zwischen den beiden Clans. Dieses Mal fließt aber Blut. Romeos Freund »Mercutio« (Lucas Englander) und dessen Gegenspieler Tybalt (Marc Bollmeyer) finden den Tod, Romeo muss aus Verona fliehen. Das freche Possenspiel, die lustvollen Anspielungen und Seitenhiebe finden ein abruptes Ende. Die Inszenierung mutiert nun zu einer Tragödie mit vielen anrührenden Momenten.
Julia soll den jungen Grafen Paris heiraten, widersetzt sich aber dem Willen ihrer von Frank Schwörer und Katja Thost-Hauser gespielten Eltern. Das Drama nimmt seinen Lauf, gipfelt in einem mit großen Gesten inszenierten Begräbnis der nur scheinbar toten Julia. Romeo kommt hinzu, vergiftet sich an ihrem Grab, seine in dem Moment wieder erwachende Geliebte greift zum Revolver – und der imaginäre Vorhang fällt.
Weitere Vorstellungen sind am 17., 19. und 20. September um 18 Uhr sowie am 21. September um 15 Uhr. Infos und Karten: www.seelbach-online.de oder • 0 78 23/94 94 52 .

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