Literaturtage "Wortspiel"

Stefan Woltersdorff reist durch Baden und das Elsass

Jutta Hagedorn
Lesezeit 4 Minuten
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24. März 2017
Zu einer »literarischen Reise im Sitzen durch zehn Jahrhunderte« lädt Stefan ­ Woltersdorff ein.

Zu einer »literarischen Reise im Sitzen durch zehn Jahrhunderte« lädt Stefan ­ Woltersdorff ein. ©Wilfried Beege

Stefan Woltersdorff nimmt im Rahmen der Offenburger Literaturtage »Wortspiel« seine Gäste mit auf eine literarische Reise durch zehn Jahrhunderte und Baden. Los geht es mit Vater Rhein.

Literarische Spaziergänge sind seine Spezialität: Stefan Woltersdorff, promovierter Literaturwissenschaftler, wohnhaft in Kehl. »Bücher sind für mich keine toten Gegenstände. Vielmehr möchte ich meinem Publikum Literatur auf lebendige und sinnliche Weise näherbringen«, ist sein Credo. Genau das tut er mit seiner literarischen Reise im Rahmen der Offenburger Literaturtage »Wortspiel« in der Volkshochschule.
Auf seiner Reise durch badische Gefilde macht er Station bei Autoren aus zehn Jahrhunderten und verspricht einen »unterhaltsamen Bilderbogen«. Sein frühester Gast? »Vater Rhein!«. Der sei ja nicht nur ein Fluss, sondern auch eine dichterische Persönlichkeit, dargestellt mit einer Leier als Sänger. »Singen und Dichten war den Menschen am Rhein immer eine Herzensangelegenheit« – »mit Wein«. 
Der Rhein sei immer eine sichtbare Grenze gewesen, sein Mythos spiele wohl auch deshalb in der Literatur eine wichtige Rolle. »Die Idee des Vater Rheins stammt von den Römern«. Dann macht er einen Sprung ins Mittelalter, an den Bodensee zu Eckart aus Sankt Gallen. »Die meisten kennen ihn eher als Romanfigur bei Scheffe«, bedauert Woltersdoff.  

Das »Frauenlob«

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Das Mittelalter versucht er an Bildern festzumachen wie dem »Frauenlob«. »Das ist heute in der Form etwas schwer verdaulich«, meint Woltersdoff lachend. »Es gehört aber zur Blütezeit der Literatur dieser Zeit.« Da sei einmal Bruno von Hornberg, einer der großen Minnesänger, der die Frau als unkörperlich und heilig darstellt. Dann die Melusinen-Sage – die Geschichte eines »grässlichen Weibes«. – »Die beiden Männerfantasien«.Sein Liebling ist ganz klar Rene Schickele, der zehn Jahre in Badenweiler gelebt hat, über den Woltersdorff auch promoviert hat. »Eine ganz zentrale Figur«. 
Sicherlich ist es nicht immer ganz leicht, gerade in diesem Raum, Autoren »staatlich« zuzuordnen; vor allem, wenn man die Jahrhunderte berücksichtigt, die Woltersdorff durchstreift. Da hatte der eine mal diesen Pass, dann jenen. Ob es sich um einen »echten« Badener handelt, ist für Woltersdorff nicht relevant. »Baden war immer ein Durchgangsland«, sagt er. Weswegen er Autoren aufgenommen hat, die »irgendwann mal hier waren. Es ist nur wichtig, dass sie einen Bezug zur Region haben.«  
Dazu zählten auch wichtige Autoren und Philosophen wie Erasmus von Rotterdam oder Montaigne, der aus Bordeaux stammt. Wenn man es genau nehmen wolle, »hat sich halb Europa hier getummelt«, sagt der Literatur
wissenschaftler lachend. Für die Gegenwart nennt Woltersdorff den Hausacher Lyriker José F. A. Oliver. 
Einen bestimmten Charakter von Literatur habe er nicht feststellen können. »Wenn man den zeitlichen Rahmen so weit fasst, löst sich alles auf.« Aber der badische Raum sei die Wiege für wichtige literarische Ereignisse gewesen: Sturm und Drang, Minnesang, Dialektliteratur. »Das sind große Momente, da war der Oberrhein Motor«. Die Region sei eine bunte Szene gewesen – aber nie rein badisch. Ob die Literatur der badisch-elsässischen Region etwas stärker politisch war als die Literatur in anderen Regionen, sei schwer zu sagen. 
Im Elsass seien die Autoren nicht darum herumgekommen. Aber Baden sei längst nicht so umstritten und hin- und hergerissen. Die Identität habe sich zwar auch hier gewandelt, doch es habe nicht dieses komplette Umschwenken wie im Elsässischen gegeben. »Die Auseinandersetzung mit der Grenze und dem Rhein ist sicher ein Thema«, meint er und nennt den 30-jährigen Krieg mit ihren Autoren Johann Michael Moscherosch und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Dialekt verbindet

Der Dialekt, so Woltersdorff, spiele eine starke Rolle in der Literatur Badens. Er sei für die Literatur wichtig, weil Dialekt verbinde. Aber das sei tatsächlich erst durch Hebel passiert, der ganz bewusst im Dialekt geschrieben habe. Es gebe die Schweizer Mundart oder das Elsässische nicht »ohne diesen Urknall Hebel«. 
Danach habe es einen völlig neuen Bezug zum Dialekt gegeben. Plötzlich war er eine Sprache, die eine Geschichte hatte, an das Mittelhochdeutsche erinnernd, »sehr bunt und saftig, farbig – ein wunderbares Reservoir«.

Zur Person

Stefan Woltersdorff

Stefan Woltersdorff, Jahrgang 1965, ist promovierter Literaturwissenschaftler und lehrte an verschiedenen Universitäten.  Er veröffentlichte mehrere litarische Reiseführer und unternimmt literarische Wanderungen und Reisen. Sei jüngstes Buch »Literarisches Lothringen« wurde 2014 mit dem Literaturpreis der Académie Stanislas (Nancy) ausgezeichnet.

Info

Lesung

Stefan Woltersdorff, »Baden – eine europäische Literaturlandschaft im Wandel der Zeiten«, heute, Freitag, 20 Uhr, Volkshochschule auf dem Kulturforum.
Karten: Buchhandlung Roth, Hauptstraße Offenburg, Volkshochschule, Abendkasse.

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