Baden-Baden

Tangonacht in Baden-Baden war ein Ärgernis

Dietrich Mack
Lesezeit 3 Minuten
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23. Mai 2016

Mit »Mefistofele« gelang ein Wagnis, aber mit der »Tangonacht« konnte Bassbariton Erwin Schrott nicht überzeugen. ©Archivfoto: Fabrice dall’Anese

Wettermäßig war Pfingsten durchwachsen, kalte Winternächte, warme Sommertage. Mehr Verlass als auf die Jahreszeiten ist in Baden-Baden auf die Festspielzeiten im 50 Tage-Abstand: Ostern, Pfingsten, Sommer. 

Festspiele im Sinne von etwas Besonderem, ja Einzigartigem hat bei den Festspielzeiten in diesem Frühjahr nur das wunderbare Osterfest der Berliner Philharmoniker. Pfingsten wagte man immerhin mit »Mefistofele« eine Opernpremiere, die interessant und in vielem gelungen war. Der Rest war ein sehr gemischtes  Konzertangebot, von Mozarts »Requiem« bis zum Tango-Abend mit Erwin Schrott. 

Dieser Abend war ein Ärgernis. Steifes Publikum, null Atmosphäre im zu großen Festspielhaus trotz hilfloser Bemühungen von Schrott. Die Beschallung eine Katastrophe; das Programm eine Melange von Tango, Samba, Bossa Nova und Hits, die andere besser können. 

Das alles kann man verschmerzen, wenn auf der Bühne ein begnadeter Entertainer stünde. Das ist Schrott nicht. Sein Englisch ist dürftig, das Mikro verballhornt seinen schönen, warmen Bassbariton zu einer dröhnenden Röhre. Da ergreift einen große Sehnsucht nach seinem Leporello, Don Giovanni oder Mefistofele. Tango, soll er gesagt haben, ist Liebe, Tod und Leidenschaft in drei Minuten; dafür brauche die Oper drei Stunden. Ein schönes Bonmot, aber auch Minuten können sich endlos dehnen, wenn sie peinlich sind. Am schönsten klangen die leisen, traurigen Instrumentalstücke, gespielt von Claudio Constantini (Bandoneon) und Frederico Lechner (Klavier).

Umso erfreulicher waren zwei andere Konzerte. Zu Recht hat Daniel Hope einen großen Fanclub. Die Schlange seiner Verehrerinnen nach dem Konzert war beeindruckend lang. Dieser englische Geiger spricht perfekt Deutsch, ist in den Medien präsent, moderiert mit Charme, Eloquenz und Intelligenz wie kaum ein anderer Künstler. 

»Sonntagskonzert«

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Erwin Schrott könnte von diesem »global boy next door« viel lernen. Schon in jungen Jahren gab ihm Yehudi Menuhin den Ritterschlag, förderte ihn und spielte mit ihm viele Doppelkonzerte. Anlässlich des 100. Geburtstags von Menuhin hat ihm Hope eine schöne Hommage gewidmet: »My tribute to Yehudi Menuhin«. Das Programm, CD und Konzerte variieren, hat Stil, beginnt in Baden-Baden mit Bach und endet mit Mendelssohn-Bartholdy; dazwischen Bartók und drei sehr schöne moderne Werke, vor allem »Echorus« von Philip Glass.

Höhepunkt war das Violinkonzert von Mendelssohn in d-Moll. Es ist der Geniestreich eines Knaben. 1823 wurde es privat in den Sonntagskonzerten aufgeführt, blieb verschollen und wurde erst 1952 von Menuhin entdeckt und aufgeführt. 

Man kann nur staunen über ihn:  Goethe küsste ihn, Carl Friedrich Zelter unterrichtete ihn. Mit 15 Jahren, das war 1824, hat Mendelssohn bereits 100 Werke komponiert – wie Mozart. Die klassischen drei Sätze des Violinkonzertes sind zart, elegant und anmutig. Hope und das Kammerorchester Basel spielen es mit großer Delikatesse. In den Doppelkonzerten von Bach und Glass ist Anders Kjellberg Nilsson, Konzertmeister der Basler, Hopes ebenbürtiger Partner. 

Auch im Konzert des Gewandhausorchesters Leipzig unter Sir John Eliot Gardiner war ein ebenfalls 1823 komponiertes Werk von Mendelssohn der musikalische Höhepunkt. Auch dieses Konzert in d-Moll für Violine, Klavier und Streichorchester wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder entdeckt. Es ist ein hochvirtuoser Dialog zweier Instrumente, sprühend von musikalischen Ideen und schwierigen Passagen. Geige (Isabelle Faust) und Klavier (Kristian Bezuidenhout) sind wie ein Liebespaar, mit aller Lust, mit allem Leid. 

Das machen die beiden Solisten perfekt ohne alle Show. Nur die Musik triumphiert. Ein Festspiel, egal zu welcher Jahreszeit.
 

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