Hausacher LeseLenz 2015

Thriller von beklemmender Aktualität

Jürgen Haberer
Lesezeit 3 Minuten
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16. Juli 2015
Chamisso-Preisträger Sherko Fatah.

(Bild 1/2) Chamisso-Preisträger Sherko Fatah. ©Jürgen Haberer

Der Abend mit den Chamisso-Preisträgern Sherko Fatah und Martin Kordic lenkt den Fokus des Hausacher Leselenz einmal mehr auf die politischen Brennpunkte dieser Welt. Die in den Romanen der beiden Autoren thematisierte Auseinandersetzung mit Krieg und Terror prägen auch das Gespräch mit Moderator Wolfgang Niess.

Martin Kordic, 1983 in Celle geboren, hat die Auswirkungen kriegerischer Handlungen nie am eigenen Leib erfahren. In seinem Roman »Wie ich mir das Glück vorstelle« greift er das Thema aber in einer bemerkenswert behutsamen Art und Weise auf. Er erzählt die Geschichte von Viktor, einem Kriegswaisen aus Bosnien, der aufgrund einer schweren körperlichen Behinderung eine immer auch von den Ereignissen losgelöste Position einzunehmen vermag. Viktor ist nur indirekt Opfer, er kommt gar nicht erst in die Gefahr, Täter in einem von Martin Kordic nie namentlich benannten Konflikt zu werden.

Natürlich geht es in dem 2014 erschienenen Debütroman um den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien. Im Roman selbst ist aber nur von einem Wüten in den Bergen, vom Abschlachten in den Städten und dem Leben in Ruinen die Rede, von einem namenlosen Krieg, der sich in Vertreibung, Völkermord und Tod manifestiert. Kordic, der 2015 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis und der Alfred-Döblin-Medaille ausgezeichnet wurde, nähert sich der von Menschen entfesselten Gewalt aus der Position eines naiv anmutenden Außenseiters, der sich inmitten von Chaos und Gewaltexzessen einen fast märchenhaft anmutenden Blickwinkel bewahrt.

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Auch Sherko Fatah, der diesjährige Preisträger des Adelbert-von-Chamisso-Preises, beschreibt den Krieg in seinem aktuellen Roman »Der letzte Ort« aus einer indirekten Perspektive heraus. Der 1964 in Ostberlin geborene Sohn eines irakischen Kurden und einer Deutschen erzählt die Geschichte eines deutschen Aussteigers, der gemeinsam mit seinem irakischen Führer Osama in die Hände von Kidnappern fällt. Eingebettet in die literarische Dynamik eines Thrillers, erleben die beiden eine abenteuerliche Odyssee, die sie gleichermaßen aneinanderkettet und entfremdet.

Fatahs Roman, der durch die Geschehnisse in Syrien und im Irak eine beklemmende Aktualität erfährt, zeichnet virtuos die Mechanismen einer radikalisierten und enthemmten Welt nach. Im Gespräch mit Moderator Wolfgang Niess widerspricht Sherko Fatah dann aber deutlich der allgemeinen Deutung der aktuellen Entwicklung im Kriegs- und Krisengebiet. Die Entstehung des sogenannten »Islamischen Staats« und die von ihm proklamierte Entscheidungsschlacht mit der westlichen Welt habe sich seiner Einschätzung nach lange vorher abgezeichnet. Wer wollte, hätte bereits vor vielen Jahren sehen können, dass die eine Seite eines seit langem schwelenden Konfliktes eine immer radikalere Position eingenommen habe. »Es ist gut zehn Jahre her, dass im Internet die ersten Enthauptungen von Geiseln zu sehen waren«, erinnert Sherko Fatah.

Es sei auch völlig falsch gewesen, darauf zu hoffen, dass der Bürgerkrieg in Syrien von alleine ausbrenne. Hätte die Welt hier rechtzeitig eingegriffen, wäre die Situation im Krisengebiet heute eine andere, gibt Sherko Fatah zu bedenken. Sein Roman wäre dann vielleicht nicht viel mehr als eine beklemmende Fiktion.

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