Traum von weißer Weihnacht
Der Offenburger Figuralchor sang in der vollbesetzten Hl.-Kreuz-Kirche 18 weihnachtliche Kompositionen von Palestrina bis John Rutter. Fünf Instrumentalsätze gliederten eine Programmfolge, die die Hörer restlos begeisterte.
Offenburg. Mit einer »Toccata festiva« eröffneten vier Blechbläser und die Orgel am Sonntag das Weihnachtskonzert des Figuralchors Offenburg. Dabei griff der zeitgenössische Komponist Carsten Klomp (*1965) auf die Entrada des 16. Jahrhunderts zurück. Die mächtigen Stöße der Bläser wurden von der Orgel (Georges Aubert) mit klingenden Girlanden umwunden. Hymnisch strahlten die Trompeten (Frédéric Schiel, Marc Hegenhauser) – die Posaunen (Angelika Frei, Michael Fünfgeld) und die Orgel antworteten.
Für die doppelchörige Kantate »Nun komm, der Heiden Heiland« von Samuel Scheidt nützte Chorleiter Werner Pfaff die seitlichen Emporen. Weich klopfend erklang das »Komm« mal von rechts, mal von links – wie in Venedig oder Salzburg. Das Magnifikat von Schütz wurde vom Text her stimmig ausgedeutet mit Impulsen auf Gottes Wirken, wenn er die Mächtigen stürzt und die Hoffärtigen zerstreut.
Die fünf Strophen von »O Heiland reiß die Himmel auf« hat Brahms schon auf den Textsinn hin komponiert und die Melodie jeweils wechselnden Stimmen zugeteilt. Besonders plastisch die schmerzliche Chromatik bei »Hier leiden wir die größte Not«. Das Blockflötenquartett mit Felicitas, Carolin und Nathalie Eckert sowie Luisa Spindler (Bundespreise bei Jugend musiziert) beschloss den Adventsteil mit einer Suite von Johann H. Schein und führte die Sinne mit dem warm-schlichten Flötenklang zur Einfachheit.
Verbindung per Monitor
Den weihnachtlichen Sätzen von Palestrina, Praetorius und Bach standen zeitgenössische Werke von Randall Thompson und John Rutter gegenüber. Thompsons »Alleluia« ließ sich wie eine pianissimo- und Intonations-Übung an, steigerte sich in schrägen Akkorden, kehrte aber zu sanft-romantischem Tonsatz zurück. Marias Wiegenlied von Rutter wurde von der großen Orgel begleitet, die Verbindung zum Dirigenten schuf ein Monitor. Wunderbar schwang der Refrain »sing eia popeia«, den Kontrast dazu bildeten die Männerstimmen, die als Hirten das heiligen Kind bestaunten.
Der dritte zeitgenössische Chorsatz folgte nach Purcells D-Dur-Suite, eine Bearbeitung von Bachs »Wachet auf« von Ben Parry (*1965). Dabei wurde die Choralmelodie vom »Bam–bada-baa« in der Art der Swingle-Singers in raffinierten Harmonien und vom Kontrabass (Ulrich Nachtroth) begleitet. Solche modernen Sätze hatten auch manche Gastsänger angelockt. Sehr wohl fühlten sich Chor und Hörer bei Händels Klassikern »For unto us a Child is born« und »Joy to the World«. Dieser prunkvolle Chor beginnt wie »Lift up your heads« aus dem Messiah und gehört zu den populärsten englischen Weihnachtsliedern.
Höchst konzentriert
Das »For unto us« ließ Werner Pfaff von Blockflöten und Basso continuo begleiten, eine überaus anrührende Interpretation, die pianissimo begann und in gemessener Steigerung zum »Wunderful, Counsellor« gelangte, höchst konzentriert in der sprachlichen Artikulation. Die von Blech und Flöten begleitete Originalmelodie »Es ist ein Ros entsprungen« (Praetorius) leitete zu einer modernen Version von Jan Sandström über, in der die klirrende Kälte in den leisen atonalen Harmonien zu schweben schien: ein Traum von weißen Weihnachten.
Dass Franz Liszt einen »Weihnachtsbaum« für sein Enkelkind geschrieben hat, dürfte nicht allgemein bekannt sein. Georges Aubert spielte auf der großen Orgel: Glockenklang, ein näselndes Wiegenlied und »Adeste fideles« in fröhlicher Steigerung.
Höchst anspruchsvoll war dann abschließend die Schlussrunde: Bruckners »Virga Jesse«, Bullards »Star oft he East« und Gabriel Faurés »Cantique de Jean Racine«, ein inniges Gebet. Im Blechbläserquintett »La Spiritata« von Gabrieli stach Angelika Frei mit ihren virtuosen Verzierungen heraus.