Concertino Offenburg

Treffsicher und leidenschaftlich

Oscar Sala
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15. Oktober 2014

(Bild 1/2) Das Concertino Offenburg erhielt minutenlangen Beifall. ©Oscar Sala

Im 25. Jahr des Mauer­falls rückte beim Konzert des Concertino Offenburg Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) in den Mittelpunkt. Schülerinnen und Schüler der Waldorfschule erinnerten mit Zeitzeugenberichten an die Zeit der Wende.

Offenburg. Einen Glanzpunkt des Konzerts in der Freien Waldorfschule Offenburg am Sonntag erlebten die Zuhörer bereits vor der Pause, als das von Dieter Baran engagiert geleitete Concertino  Offenburg Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 opus 35 anstimmte. Solisten waren die Pianistin Yukiko Sugawara und Lajos Rezmüves an der Trompete. Das 1933 komponierte Werk des 27-jährigen Russen, das seinerzeit entscheidend zum Ruhm des Komponisten beitrug,  nimmt zahlreiche Zitate auf und reiht einen musikalischen Gedanken an den anderen. Darin offenbart Schostakowitsch bereits seinen rebellischen, aber auch innovativen Geist – für ihn sei es eine »spöttische Herausforderung an den konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus«.

Die Pianistin zeigte am Steinway-Flügel viel Leidenschaft und eine bewundernswerte Technik. Der junge Trompeter aus Ungarn interpretierte seinen Part mit kraftvoll versammelter Energie und erwies sich im musikalischen Dialog als treffsicher. Bemerkenswert vor allem der Finalsatz »Allegro con brio«, den Sugawara mit einer Tasten­attacke auf der Klaviatur zum Höhepunkt brachte und von den Stakkati des Bläsersolisten angetrieben wurde.

Schrecken des Krieges

Mit dem recht düsteren ersten Largo von Schostakowitschs Kammersinfonie op.  110a nach dem Streichquartett Nr. 8 leitete das Streichorchester die zweite Konzerthälfte ein. Der Komponist hat das in seiner Art einmalige Werk während seines Besuchs in Dresden angesichts der noch sichtbaren Zerstörungen innerhalb von nur drei Tagen geschrieben – ein Jahr vor dem Bau der Mauer. Der Kontrast zwischen Dissonanz und reiner Tonalität prägt das gesamte Werk. Die drei Largo-Sätze, die auf fast beklemmende Weise auf die Schrecken des Krieges anspielen, werden von einem recht überraschenden Übergang zum Allegro molto und Allegretto durchbrochen.

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Trotz aller Eindringlichkeit und Traurigkeit erweist sich das fesselnde Werk letztendlich als nicht trostlos. Mit großer Intensität und beeindruckender Präzision folgten die Streicher den Anweisungen ihres Dirigenten. Immer wieder ragen kleine Soli-Passagen hervor. Nach dem Schlussklang folgte Stille, die wenig später vom sich steigernden Applaus durchbrochen wurde.

Doch nicht nur Schostakowitsch vermochte den Bezug zum Mauerfall herzustellen. Vor 25 Jahren, in der Nacht vom 10. auf den 11. September, hatte Ungarn seine Grenzen nach Österreich geöffnet. Und am 30. September 1989 versprach Hans-Dietrich Genscher Tausenden DDR-Flüchtlingen in der deutschen Botschaft in Prag die Freiheit. Als musikalische Würdigung für diese mutigen Schritte war einleitend ein Prelude des böhmischen Komponisten Anton Dvorák (1841-1904) zu hören. Den Abschluss des Abends bildete ein Divertimento des jüdisch-ungarischen Musiklehrers und Komponisten Leó Weiners (1885-1960).

Für den herausragenden Abend bekamen Orchester, Dieter Baran sowie die Solisten minutenlanger Beifall. Der Dirigent entschied sich allerdings, keine Zugabe folgen zu lassen.

Mit seinem Konzert am 8. März 2015 feiert das Concertino sein 30-jähriges Bestehen mit Musik von Brahms und Bruckner.

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