Hausacher Leselenz 2016

Ur:sprünge: Ines Geipel und Ishmael Beah

Jutta Hagedorn
Lesezeit 4 Minuten
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24. Juni 2016

Ishmael Beah ©John Madere

Heute Abend beginnt der Hausacher Leselenz 2016. Zur Eröffnung in der Hausacher Stadthalle hat Leselenz-Chef José F. A. Oliver zwei Gäste eingeladen, die sich gut ergänzen: Ilija Trojanow und Ines Geipel.

Was hat Literatur mit Ursprüngen, Körper und Bewegung zu tun? Nun, einmal unmittelbar, als Ilija Trojanow eine Art Selbsterfahrungsbuch geschrieben hat mit dem Titel »Mein Olympia«. Seine Gesprächspartnerin heute beim Eröffnungsabend des Hausacher Leselenz ist die ehemalige Leistungssportlerin und Weltrekordhalterin Ines Geipel, die heute Literaturprofessorin und Autorin ist, erklärte Leselenz-Chef José F. A. Oliver im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse.

Ein Drogenopfer

Bei Trojanow und Geipel besteht also ein direkter Bezug zum diesjährigen Motto. Aber eigentlich, sagt Oliver, ziehe sich dieses Motto im wörtlichen und übertragenen Sinne durch so ziemlich alle Werke. Im übertragenen wie im wörtlichen Sinne bei Ishmael Beah auch durch sein Leben.

Ines Geipel war Weltrekordhalterin in der DDR und gleichzeitig Opfer des staatlich verordneten Dopings im Leistungssport. Heute ist die Literaturprofessorin Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe, die dieses Zwangsdoping-System aufarbeitet. 1960 in Dresden geboren, wurde sie früh zum Star in der 4-x-100-m-Staffel. 1984 legte sie mit ihrer Jenaer Gruppe die schnellste Zeit hin, die eine Vereinsstaffel je lief. Dieser Rekord ist beim Deutschen Leichtathletikverband (DLV) verzeichnet, doch inzwischen ist belegt, dass er durch Doping zustande gekommen war. Ines Geipel ließ 2005 ihren Namen aus dieser Rekordliste streichen. 

Flucht aus der DDR

1985 musste sie aus politischen Gründen – sie wollte die DDR verlassen – ihre Sport-Karriere abbrechen, 1989 floh sie dann über Ungarn nach Darmstadt, wo sie studierte. Heute ist sie Professorin für Verssprache an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin. 2000 war sie Nebenklägerin im Berliner Hauptprozess um das DDR-Zwangsdoping, Geipel wurde als Doping-Opfer anerkannt. In einem »Journal« und anderen Veröffentlichungen wie »Verlorene Spiele« begann sie, den Prozess und das Zwangsdoping-System literarisch aufzuarbeiten. 2011 erhielt sie dafür und insgesamt für ihre politischen Aufarbeitungen das Bundesverdienstkreuz. 

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In »Die Welt ist eine Schachtel« stellt Geipel vier DDR-Autorinnen vor ebenso wie in  »Zensiert, verschwiegen, vergessen«; sie schrieb »Generation Mauer. Ein Porträt« und in ihrer jüngsten Veröffentlichung »Gesperrte Ablage« eine »unterdrückte Literaturgeschichte in Ostdeutschland«. 
Geipel hatte lange Zeit unter körperlichen und psychischen Problemen wegen des Dopings und den Folgen des Dopings zu kämpfen.

Ein Kindersoldat

Die Geschichte Ishmael­ ­Beaks ist eine traurige. Als 1991 in Sierra Leone der Bürgerkrieg ausbrach, war Beah gerade 11 Jahre alt. Er verbrachte die nächsten zwei Jahre auf der Flucht, musste sich bereits als Kind buchstäblich »durchkämpfen« und wurde mit 13 Jahren von der sierra-leonischen Nationalarmee als Kindersoldat rekrutiert. Der Gedanke an Flucht, schreibt er, wurde nachhaltig unterdrückt. Während seiner Soldatenzeit lernte er das Töten, wurde mit Drogen versorgt, war Gewalt ausgesetzt. 
Rückkehr ins Leben

1996 wurde Beah durch die Unicef befreit, er erhielt Therapien und sprach 1996 als Vertreter seines Landes vor dem Internationalen Kinderparlament der Vereinten Nationen. Er kam in die USA, studierte und verarbeitete seine Erlebnisse literarisch. 

Berühmt wurde er mit dem Buch »Rückkehr ins Leben. Ich war Kindersoldat (A Long Way Gone, 1997). Seine Charaktere behalten ihre Hoffnung in einer inspirierenden Weise, schrieben Kritiker.  Sein Stil wird als lyrisch bezeichnet, sein Geschichtenerzählen sei reich an Allegorien. In einem Interview sagte Beah, er schreibe Fiktion, aber gleichzeitig über Dinge, die real seien. Aber gleichgültig ob es um Fiktion oder nicht gehe, er schreibe immer über Dinge, die ihn emotional berühren. 

Ishmael Beah arbeitet für Human Rights Watch, ist Botschafter der Unicef und unterrichtet am Center for International Conflict Resolution an der Columbia University und der Rudgers University. Beah gründete eine Stiftung, die sich der Integration von traumatisierten Kindern und Jugendlichen widmet. 

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