Virtuos mit tanzenden Fingern
Tristan Angenendt war am Sonntag Gast der Kreuzgangkonzerte in Offenburg. Und überraschte mit »Saitenzauberei«.
Um die klassische Gitarre ist es in unseren Konzerthäusern leider etwas still geworden. Die Zeiten, als der geniale Andres Segovia die großen Säle füllte, scheinen außer mit wenigen Ausnahmen vorerst vorbei zu sein. Umso erfreulicher ist es, dass hervorragende Solisten wie Tristan Angenendt es vermögen, die Schönheit des Saitenzaubers immer wieder von neuem aufleben zu lassen. Das jüngste Offenburger Kreuzgang-Konzert unter freiem Himmel lockte demnach viele Zuhörer an.
Im Mittelpunkt standen zwei Epochen, die den Höhepunkt in der Entwicklung des klassischen Gitarrenrepertoires bilden. Den ersten Teil hatte der Solist überwiegend der spanischen Literatur des 20. Jahrhunderts gewidmet. Zunächst mit berühmten Stücken von Komponisten, die allesamt selbst keine Gitarristen waren.
Vor den geschlossenen Augen gleiten die Noten bei Manuel de Fallas eigenwilliger und kontrastreicher »Homenaje« über den Tod von Debussy förmlich auf den Linien, verschmelzen mit dem sommerlichen Blätterrauschen, um sich bei Joaquin Rodrigos »Invocación« zu einem musikalischen Flug zu erheben.
Die Finger von Tristan Angenendt tanzen bei der Sonatina von Federico Moreno Torroba virtuos, jagen die Saiten entlangt. Kein Wunder: Angenendts Mutter und Großvater waren beide Pianisten – Musik liegt ihm einfach im Blut.
Etwas aus der musikalischen Reihe fällt dann Johann Sebastian Bachs berühmte Chaconne aus der 2. Violinpartita. Diese ist allerdings seit Segovias erster Aufführung als Bearbeitung für Gitarre im Jahre 1935 in Paris wesentlicher Bestandteil von Konzertprogrammen der nachfolgenden Generationen geworden, erläutert Angenendt. Die »Chaconne« interpretiert er in eigenem Arrangement mit gestalterischer Spieldichte und souveräner Bach’scher Variationskunst.
In der zweiten Hälfte kommen wiederum Werke der großen Virtuosen des frühen 19. Jahrhunderts zu Gehör. In der Fantasie Hongroise von Johann Kasper Mertz kann Angenendt den darin enthaltenen zigeunerischen Tonfall voller Anmut umsetzen.
Guiliani und Regondi
Mertz starb vermutlich an den Folgen einer Medikamentenüberdosis, die ihm seine Frau (versehentlich) verabreicht hatte. Sein Werk stand in Wien bis dahin im Schatten anderer großer Gitarristen wie Giuliani und Regondi. Erst nach seinem Tod konnte er eine gewisse Berühmtheit erlangen. Die Italiener Niccolo Paganini und Mauro Giuliani waren dagegen bereits zu Lebzeiten gefeierte Konzertmusiker; Paganini nicht nur einer der berühmtesten Geigenvirtuosen aller Zeiten, sondern auch ein hervorragender Vertreter der zupfenden Zunft. Er schrieb eine recht beachtliche Anzahl an Werken für das Instrument, immerhin diente im die Gitarre dazu, seine Kompositionstechnik zu verfeinern.
Das konnten die Zuhörer im Kreuzgang bei seiner »Gran Sonata in A-Dur« unmittelbar nachvollziehen. Als nicht minder schillernde Persönlichkeit stellte sich Giuliani heraus, der aufgrund von Spielschulden und wohl aus Angst vor den Gläubigern mehrmals das Weite suchen musste. Keinesfalls flüchten musste dagegen das Publikum bei den wunderbaren Harmonien seiner »Gran Sonata eroica«. Zuvor verabschiedete sich Gitarrist Tristan Angenendt aber mit einer kurzen brasilianischen Zugabe.