Vom fürstlichen Hof auf die Straßen
Die spanische Mode im Laufe der Jahrhunderte ist das Thema eines Vortrags von Claudia Schmiderer in der Offenburger Volkshochschule. »Heute fehlt die Individualität«, sagt die Dozentin im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse.
Offenburg. »Ich wusste gar nicht, dass man das studieren kann«, hört Claudia Schmiderer bisweilen. Man kann es nicht nur studieren, sondern auch unterrichten, was die Kunsthistorikerin und Literaturwissenschaftlerin an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim tut. Und zwar Modegeschichte und Modetheorie. Für die Hochschuldozentin ist Mode ein spannendes Thema, genauer gesagt die Modetheorie. Weil sie unmittelbar mit der Kultur der Menschen verbunden ist. »Sie ist sozusagen ein Spiegel der Gesellschaft«. Zumindest war sie das, sagt Schmiderer.
Am Hof Philipps
Im Rahmen der Schwerpunktreihe »Spanien« der Volkshochschule Offenburg macht sie nun morgen, Donnerstag, einen Ausflug in die Vergangenheit Spaniens, genauer gesagt ins 16. Jahrhundert, an den Hof von Philipp II. und beschreibt, was damals »in« war und warum. Der Streifzug beginnt im Heute, mit Labels, die auf der ganzen Welt getragen werden wie Zara, Mango oder Desigual. »Doch man kann hier nicht von spanischer Mode sprechen«, schränkt Schmiderer ein. »Es ist Mode, die in Spanien produziert wird. Es gibt nur Weltmode«. Das war bis zum 18. Jahrhundert anders, denn mit der französischen Revolution, dem Bürgertum und der Demokratisierung änderte sich das Kleidungsverhalten.
Der Hof unter Philipp II. war hingegen nicht nur Zentrum der Macht, sondern auch Vorbild in Sachen Mode. Wobei es eigentlich immer die Höfe waren, die vorgaben, was »in« war. Und die »Mode« wechselte entsprechend mit den Herrschenden. »Allerdings hatte das einfache Volk mit Mode nichts zu tun.« So möchte Schmiderer in ihrem Vortrag »nicht jedes Schleifchen erklären, sondern: was kann man ablesen?«.
In der Zeit von Karl V. bis Philipp II., der sehr religiös war, spielte die Kirche eine große Rolle, damit das Thema »Sittlichkeit«. »Mit dem 30-jährigen Krieg war da Schluss, dann kam Ludwig XIV.« – der eine etwas frivolere Lebensauffassung hatte. »In der Renaissance war es wieder aufgelockert. Der Mensch stand im Mittelpunkt.« Mit der französischen Revolution und der Demokratisierung setzte auch in der Mode die Globalisierung ein.
Zara, Mango, Disigual – das seien »keine außergewöhlichen Designer«. Das Gros der Mode heute werde von Ketten gemacht, die die Hautecouture kopieren. »Mode ist stets von oben nach unten durchgesickert. Heute ist sie auf der Straße angelangt.«
Was Schmiderer aber viel mehr interessiert als die Mode und worauf sie ihre Studenten immer wieder hinweist: »die Bedingungen der Herstellung von Mode« – und Modeaccessoires. Darüber müsse man sich Gedanken machen.
In Philipps Zeiten waren es vor allem die Männer, die sich rausputzten, schminkten. Sie trugen »pompöse Hosen«, die an den Oberschenkeln pluderten, Schamkapseln, die die Geschlechtsteile betonten. Alles Akzente, die man mit der Sittlichkeit der Zeit und des Hofes Philipps II. nicht so recht in Verbindung bringen mag. »Das bezog sich auch nur auf die Männer«, betont Schmiderer. Die Mode der Frauen war eine Negierung der Sexualität – mit brachialen Methoden. Die Frauen waren »wahnsinnig geschnürt, Brüste so gut wie nicht vorhanden. Bereits den Mädchen legte man Eisenringe an, um das Wachsen der Brüste zu verhindern«, schildert Schmiderer eine der Absurditäten. Egon Friedell beschreibe das sehr gut in seiner »Kulturgeschichte der Neuzeit«. Unter Philipp II. wurde auch Schwarz als Modefarbe eingeführt. »Es gibt da dieses berühmte Porträt von ihm«, erinnert Schmiderer.
»Keine Individualität«
»Mode ist stets das Spiegelbild von Gesellschaft«, betont Schmiderer. Heute ist es Mode von der Straße, der Jugend, die von den Erwachsenen kopiert wird. »Früher haben die Alten vorgegeben, heute richten sich alle nach den Jugendlichen«, sagt sie. Sozio-kulturell ein Problem: »Kinder haben keine Chance mehr sich abzugrenzen, ihre Identität zu zeigen. Die ureigenen Ressourcen der Jugendlichen sind weg.« Ein Resultat für Schmiderer: Jugendliche bleiben länger zuhause, lassen sich »bepampern« und verweigern sich, statt sich neu zu erfinden. »Es ist ein Verstecken – zum Beispiel auch hinter dem Jogging-Anzug.« Die Abgrenzung durch Marken habe nachgelassen. Heute sei wichtig, wie man Dinge zusammenstellt.
Früher zeigten Äußerlichkeiten den sozialen Stand an. »Das gilt heute zwar auch noch, ist aber diffiziler. Es gibt keine großen Modewechsel mehr, keine Tabubrüche. Mir fehlt die Individualität«, sagt Schmiderer. So habe sie mit ihren Studenten ein Experiment gemacht: ein Outfit für verschiedene Menschen. Frage: Was macht ein Kleid mit dem Menschen und ein Mensch mit dem Kleid?
Und Mode und Kunst? »Mode und Kunst sollte man sehr vorsichtig angehen. Viele Designer wollen das auch nicht. Mode ist keine Kunst«.
Vortrag
»Vom spanischen Königshof in die Boutique. Der Wandel der spanischen Mode vom 16. Jahrhundert bis heute«, Claudia Schmiderer, Donnerstag, 3. Juli, 19 Uhr, Volkshochschule Offenburg, Kulturforum. Karten: Abendkasse.