Von tänzerisch bis romantisch
»Erstmals in 22 Jahren konnten alle Konzerte auch wirklich im Kreuzgang musiziert werden…«. So lautete die vorbereitete Moderation von Rolf Schilli. Doch 18.25 Uhr fielen die ersten Tropfen, man zog in den Salmen, die Tradition blieb Sieger.
Dem zahlreichen Publikum beim Abschluss der Kreuzgangkonzerte am Sonntag gefiel die Kammermusik auch im Saal, weil in der Gegenüberstellung des jungen Mozart mit dem jungen Brahms eine reizvolle Steigerung lag. Was das knapp 16-jährige Wunderkind 1772 auf der Reise nach Mailand »zum Zeitvertreib«, wie Papa Leopold meinte, zu Papier brachte, ist heitere Unterhaltung. Aber auch das scheinbar Mühelose will mit großer Aufmerksamkeit ausgeführt werden. Überraschend die Tempi: Das Eröffnungspresto klang gar nicht so »pressiert«, sondern allegro-tänzerisch, während sich das Schlussmenuett übermütig drehte. In seinen drei Teilen wechselte ständig die Führung, Forte und Piano waren fein abgesetzt, Staccato-passagen und virtuose Verzierungen bereiteten den ruhigen Schluss vor.
Zu den vier Streichern des Quartetts Frank Schilli, Anke-Bettina Melik (Violine), Rolf Schilli (Viola) und Andrej Melik (Cello) gesellte sich beim folgenden Quintett c-Moll KV 406 Anja Kreynacke (Viola). Sie ist dem Kreuzgang-Publikum aus früheren Jahren bekannt und trug zu einem angenehm vollen Klang bei.
Das Quintett ist eine Umarbeitung eines Bläseroktetts (KV 388), es setzte in der diesjährigen Reihe das Thema »Umarbeitung« fort. An den ursprünglichen Bläserklang erinnerte das festliche Schreiten in den ersten Takten. Erst später zauberten die Fünf den wahren Allegrotanz auf die Saiten.
Das Andante war ein gemütlicher Dreier, etwa »Nun fiedelt doch auch mal für die älteren Herrschaften im Dorf!« Zur Abwechslung wieder ein rasches Menuett mit zarten Kanoneinsätzen und feinen Modulationen.
Die Instrumente spielten sich die Melodien wie Bälle zu und endeten in duftigen Schlüssen. Das Trio begann wie ein eiliger Marsch, die Stimmen schienen mit Solo-Einlagen aus der Reihe zu tanzen, und doch glänzte keine für sich allein, das Zusammenspiel blieb geschmeidig und lebendig. Ein besonderer Genuss waren die Pianissimi, die im Saal nicht so verflogen wie im Freien.
Brahms’ Streichsextett
Nach der Pause machte Cellist Matthias Kaufmann die Fünf zum Sextett, das Brahms’ erstes Streichsextett B-Dur op. 18 musizierte. Es war 1860 auf einer Rheinreise entstanden, bei der Brahms Robert und Clara Schumann traf. Da gab es noch keine melancholischen Töne, der 27-Jährige genoss die Zuneigung der Schumanns und ließ sich von rheinischer Lebensfreude anstecken. Im Eingangsallegro stimmt das Cello ein wiegendes Thema an, man meint, den breiten Rhein ruhig dahinfließen zu sehen, und die Verzierungen lassen die kleinen Wellen in der Sonne glitzern.
In chromatischen Abwärtsgängen wird die Flut schneller, ein Pizzicato bereitet den Schluss vor.
Volkstümliche Weisen bestimmen das Andante, das in kraftvollen Quartaufgängen und schweren Schritten daherkommt. Ist eine gewisse Höhe erreicht, springt das Thema in den Stimmen hin und her, werden die Variationen mit Sechzehnteln unterlegt, erreicht das Cello eine romantische Intensität wie bei Schubert.
Voller Einfälle auch die beiden Schlusssätze, schön geschlungene Ornamentbänder, spielerische Dialoge und intensive Steigerungen: das am besten durchgearbeitete Stück des Abends. Das Publikum bedankte sich mit langem Applaus. Zugegeben wurde ein Haydn-Trio, auf der Bühne nur Frank Schilli, Anja Kreynacke und Matthias Kaufmann. Die anderen Drei spielten die Echos hinter dem Vorhang, eine humorvolle Pointe.