New York

New Yorker Restaurant lässt Nonnas an den Herd

dpa
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
22. März 2017
Nonna Margherita aus der Provinz Palermo in einer von zwei Küchen der "Enoteca Maria" in New York.

Nonna Margherita aus der Provinz Palermo in einer von zwei Küchen der "Enoteca Maria" in New York. ©dpa - Johannes Schmitt-Tegge

So ganz im großmütterlichen Alter angekommen ist Habiba Hachemi mit Mitte 50 noch nicht, aber für Joe Scaravella geht sie locker als «Nonna» durch. Für ihn hat das italienische Wort für «Großmutter» oder «Oma» nicht unbedingt mit Enkelkindern und Stammbäumen zu tun, sondern mit Kochkunst und alten Familienrezepten.

In seinem New Yorker Restaurant stehen ausschließlich Nonnas am Herd - Frauen, die das Kochen zwar nie professionell gelernt haben, es aber schon viele Jahre und vor allem mit Leidenschaft tun.

«Enoteca Maria» heißt das kleine Restaurant im historischen Bezirk auf Staten Island, in dem nicht in einer, sondern gleich in zwei Küchen mittwochs bis sonntags Nonnas am Werk sind: In der einen bereiten italienische Nonnas - oder Nonne wie Großmütter eigentlich in Italien heißen - Pasta-Klassiker und Spezialitäten wie Kaninchenbraten in Weißwein zu. In der anderen kochen täglich wechselnde Nonnas - aus allen möglichen Ländern. Griechenland und Polen, Argentinien und Venezuela, Tschechien und Weißrussland, selbst Bangladesch und Kasachstan waren schon vertreten. Die Gerichte schlagen die Frauen selbst vor.

«Das Alter ist eine Metapher. Man muss nicht wirklich ein Enkelkind haben, es bedeutet Erfahrung», sagt Scaravella, dessen Eltern aus Italien stammen. Sowohl die Heimat seines Vaters in Piacenza und seiner Mutter in Sizilien hat er mehrfach besucht. «Meine Verbindung zum Essen hat mich an diesen Ort geführt, so identifiziere ich mich mit meiner Kultur. Diese Gerüche in der Küche setzen deine Erinnerung wirklich in Gang.» Und Erinnerungen aus Jugend- oder Kindheitstagen und an die (groß)elterliche Küche will er auch bei den Gästen wecken.

Für den in Brooklyn aufgewachsenen Unternehmer mit dem weißen Vollbart ist es etwa «Capuzzelle» - ein mit Brotkrumen, Rosmarin, Gemüse und Knoblauch gefüllter Schafskopf samt Hirn und Zunge. «Ich erinnere mich lebhaft daran, wie mein Großvater das Auge mit der Gabel herausschraubte und wie traumatisiert ich war», sagt er. Gäste recken die Hälse, wenn in der Enoteca wieder einer der dunklen Tierschädel am Nebentisch serviert wird.

Für die aus der Küstenstadt Oran in Algerien stammende Habiba Hachemi hat dagegen der Couscous mit Rosinen, gekochtem Huhn und Gemüse, der heute auf der Karte steht, einen nostalgischen Wert. «Ich war 14 Jahre alt, als meine Mutter mir das Kochen beibrachte. Meinte Tochter kocht auch, sie macht alles», sagt. Hachemi. Die beiden erfuhren über das Internet vom Restaurant und stellten sich vor, seitdem zählt Habiba zur Gruppe der wechselnden Nonnas, erzählt sie in der Küche.

- Anzeige -

Ein Stockwerk unter ihr steht Nonna Margherita aus der Provinz Palermo, die gerade Tomaten und Auberginen für eine vegetarische Lasagne schneidet. Auch sie lernte das Kochen von ihrer Mutter, ehe sie 1982 nach New York übersiedelte. Es geht hektisch zu in der kleinen Küche, die Tische oben füllen sich. Eben trägt ein älterer Italiener eine Creme-Torte zum Kühlraum und schiebt sich ein Stück davon in den Mund, als Scaravella plötzlich hinter ihm steht: «Ich habe dir gesagt, du sollst oben übernehmen! Bitte!»

Anders als bei privaten Kochclubs und so manchen neu eröffneten Restaurants, die sich mit ausgefallenen Kreationen übertrumpfen wollen, regiert in der «Enoteca Maria» das Gesetz der Einfachheit. «Ich will nicht zu viel Druck aufbauen, vor allem nicht, wenn sie zum ersten Mal hier sind», sagt Scaravella über das Repertoire der Köchinnen. Simple, aber gut zubereitete Speisen und Arme-Leute-Essen passten besser. «Ich sage ihnen immer, ich will nichts Kompliziertes.»

Doch selbst unter den Nonnas, die in Italien an der Spitze der Familienhierarchie stehen, herrscht Rivalität. «Zu viele Großmütter aus derselben Kultur neigen dazu, ihr Revier zu schützen und werden neidisch.» Jede von ihnen glaube, die Nummer Eins zu sein - «das kann schon etwas brenzlig werden.» Auch jüngere Frauen können ihnen in Einzel-Kursen inzwischen bei den Vorbereitungen über die Schulter schauen - und wenn alles klappt, soll das Konzept eines Tages in eine TV-Show verwandelt werden.

Und auch eine deutsche Nonna könnte in Staten Island am Herd stehen. «Kartoffelsalat mit Schnitzel» schlägt Claudia Neumann für diesen Fall als Gericht vor. Sie ist mit ihrem Freund aus Berlin zu Besuch. Ihm schmeckt das Essen samt Vorspeise, Nachtisch und Wein «hervorragend».

Scaravella hofft, die Menschen mit seinem etwas ungewöhnlichen Restaurant zusammenbringen zu können - er arbeitet auch mit Nonnas aus den palästinensischen Autonomiegebieten, aus Syrien und Ägypten. «Heute versuchen alle, uns auf so vielen verschiedenen Ebenen zu spalten. Wir müssen jede Kultur feiern.»

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Harte Szene im Gemüsekrimi: Dietmar Bertram hobelt eine Gurke, um sie zum Reden zu bringen.
17.03.2024
Lahr
Ein Detektiv spielt mit Essen: Dietmar Bertram präsentierte „Hollyfood – Die Gemüsekrimis“ bei der Puppenparade Ortenau im Lahrer Schlachthof.
Am Abgrund: In "A long way down" wird über ein ernstes Thema gealbert. 
17.03.2024
Offenburg
Mit britischem Humor thematisiert die Tragikomödie „A long way down“ die Selbstmordgedanken gescheiterter Existenzen. Für die Aufführung in der Oberrheinhalle gab es viel Beifall.
Von Gier befeuert: Carsten Klemm (rechts) als Kunstfälscher Fritz Knobel und Luc Feit (links) als Skandalreporter Hermann Willié. 
17.03.2024
Lahr
Den Skandal um die angeblichen Hitlertagebücher des Kunstfälschers Kujau brachte die Landesbühne Esslingen mit „Schtonck“ auf die Bühne.
Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten zeigt Karl Vollmer im Artforum.
17.03.2024
Offenburg
Karl Vollmer reflektiert das Zeitgeschehen und bezieht Position. Zwei Werke seiner Ausstellung „Wider Erwarten – Ortung“ beim Kunstverein Ortenau hat er Alexej Nawalny gewidmet.
Das Trio Van Beethoven erhielt frenetischen Schlussbeifall.
13.03.2024
Achern
Das Trio Van Beethoven eroberte am Sonntag mit Werken von drei weitgehend unbekannten Komponisten das Publikum in der Alten Kirche Fautenbach.
Mit ein bisschen Absurdität und jeder Menge Witz ließ das Theater Handgemenge seinen König auf Reisen gehen.
13.03.2024
Kehl
Das Schattenspiel um Herrn König bescherte dem Kehler Publikum einen großartigen Puppenparade-Abend
Leonard Küßner aus Offenburg komponiert eine Symphonie für Altsaxophon. Im Mai wird das Stück mit Hannah Koob als Solistin in der Oberrheinhalle uraufgeführt.⇒Foto: Christoph Breithaupt
08.03.2024
Kultur
Leonard Küßner hat viel zu tun. Neben Kompositionen für die Saxophonistin Hannah Koob und die Tänzerin Smadar Goshen will er seine Kinderoper fertigstellen und Schulklassen besuchen.
Erstmals hatte sich das Streichorchester des Concertino bei einem Konzert durch Bläser verstärkt.
07.03.2024
Offenburg
Mit spätromantischen Klängen, Jazz, Swing und Seemannsliedern bot das Frühlingskonzert des Concertino Offenburg ein vielschichtiges Programm.
Pianist Severin von Eckardstein (im Vordergrund) und die Nürnberger Symphoniker hauchten der Musik Leben und Seele ein. 
06.03.2024
Lahr
Mit viel Schwung und kraftvollen Gesten präsentierten sich die Nürnberger Symphoniker im Lahrer Parktheater. Das Orchester beindruckte mit Werken von Tschaikowsky und Sibelius.
Passend zu seinem Programm trug Kabarettist Chin Meyer einen mit Geldsteinen bedruckten Anzug. 
05.03.2024
Lahr
Kabarettist Chin Meyer präsentiert sich in seinem aktuellen Programm „Grüne Kohle“ in Lahr als Berater in allen Geld- und Börsenfragen, der sogar eine Opernarie singen kann.
Hans H. Diehl (von links), Sarah Hermann und Sven Djurovic spielen mit einer Holzpuppe die Abenteuer von Don Quichotte nach. ⇒Foto: Jürgen Haberer
05.03.2024
Neuried - Altenheim
Das Abendprogramm der Puppenparade Ortenau 2024 wurde vom Theater Eurodistrikt Baden-Alsace mit einer Burleske zu "Don Quichotte" eröffnet.
Stefan Kröll propagierte Aufbruch-Stimmung. 
05.03.2024
Achern
Der Bayer Stefan Kröll hatte für das badische Publikum gute Ratschläge parat. Statt über Stress zu stöhnen, sollte man lieber nach Lösungen suchen.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Michel Roche ist operativer Geschäftsleiter im Top-Life-Gesundheitszentrum Berghaupten. 
    13.03.2024
    Mit Innovationen an die Spitze
    Wer wie Top-Life in der Oberliga der Gesundheitszentren mitspielt, kann sich nicht ausruhen. Denn die Optionen zur Prävention und Therapie entwickeln sich stets weiter. Und so setzt das Familienunternehmen Benz auch in diesem Jahr auf Innovationen.
  • Wissenschaftlich fundiert und auf die individuellen Ziele abgestimmt ist das Training mit modernsten Geräten im Sports & Health Club von Top-Life.
    12.03.2024
    Top-Life in Berghaupten: Therapie, Fitness und Wellness
    Das Top-Life in Berghaupten ist vielen als ambulante Rehaeinrichtung bekannt. Doch es bietet weit mehr: Es ist ein Zentrum für alle, die etwas für ihre Gesundheit tun möchten. Therapie, Fitness und Wellness sind hier eng ineinander verwoben.
  • Vincent Augustin (links) und Fabian Huber haben sich mit Haut und Haar dem perfekten Rad verschrieben und kreieren in ihrer Radschmiede das perfekte Velo für ihre Kunden. 
    12.03.2024
    Räder made in Baden-Württemberg
    Vincent Augustin und Fabian Huber sind zwei Rennrad-Enthusiasten, die gemeinsame Sache machen. Zusammen haben sie in Oberkirch MYVELO gegründet. Ihr Ziel: Das perfekte Rad für die individuellen Bedürfnisse des Kunden zu bauen.
  • Vollwertig, regional und in Bio-Qualität: Mit diesen Attributen punktet das neue "Top-Life-Buffet" ab 15. März. Jetzt anmelden! 
    08.03.2024
    Nachhaltigkeit, Regionalität und Bio-Qualität im Mittelpunkt
    Ein neuer kulinarischer Hotspot wird in der Ortenauer Gastronomieszene Aufsehen erregen: Das Top-Life Gesundheitszentrum Benz in Berghaupten bietet ab Freitag, 15. März, ein einzigartiges Frühstück an.