München

Perfekt gestylt, aber seelenlos: Castelluccis «Tannhäuser»

dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
22. Mai 2017
Der italienische Regisseur Romeo Castellucci inszenierte «Tannhäuser» in München.

Der italienische Regisseur Romeo Castellucci inszenierte «Tannhäuser» in München. ©dpa - Caroline Seidel

Beifall für die Sänger, Buhrufe für den Regisseur und viele Rätsel: An der Bayerischen Staatsoper in München hat am Sonntag eine Neuinszenierung von Richard Wagners «Tannhäuser» Premiere gefeiert.

Musikalisch war die Aufführung unter Generalmusikdirektor Kirill Petrenko überzeugend: der Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt erstmals als stimmgewaltiger Tannhäuser, Anja Harteros als seine Angebetete Elisabeth und Bariton Christian Gerhaher, großartig in der Rolle ihres Verehrers Wolfram von Eschenbach.

Kopfzerbrechen bereitete dagegen die Inszenierung von Romeo Castellucci. Seine Bühnenbilder wirkten zu steril, um den Widerstreit zwischen Sinnlichkeit und tugendhafter Liebe, zwischen Leidenschaft und Anbetung, erlebbar zu machen. Castellucci kommt aus der Kunst. In Bologna hat der Italiener Bühnenbild und Malerei studiert. Die große Bühne der Staatsoper nutzt er für beeindruckende Bildkompositionen. Viel Weiß und Schwarz, dazwischen Blutrot und etwas Goldglanz. Bilder, die mit Licht und Schatten spielen, dabei aber so perfekt durchgestylt sind, dass sie eine seelenlos wirkende Umgebung erzeugen, in der die Sänger trotz ihrer großartigen Darbietungen - von leiser Wehmut bis hin zu wildester Leidenschaft - seltsam verloren wirken.

Die Venusgrotte ist kein paradiesischer Ort der Wollust, eher das Innere von Eingeweiden. Venus, gesungen von Elena Pankratova, hockt als blässlicher Fettklumpen auf einem Berg aus hautfarbenen Leibern ohne Kontur, die sich winden und von zähem Schleim bedeckt sind. Ewige Zeiten hat Tannhäuser hier schon verbracht, «zu viel, zu viel», wie er selber singt. Dass er hier weg will, wundert nicht.

- Anzeige -

Im Kontrast dazu: Die tugendhafte, unerreichbare Elisabeth, die er anbetet. Um sie zu sehen, kehrt Tannhäuser auf die Wartburg zurück. Mit Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide (Dean Power) und anderen nimmt er an einem Sängerwettstreit teil. Sie sollen das Wesen der Liebe ergründen, verlangt der Landgraf von Thüringen, großartig gesungen von Georg Zeppenfeld. Dabei kommt heraus, dass Tannhäuser im verruchten Venusberg war. Eine entsetzliche Sünde, die er mit einer Wallfahrt nach Rom büßen soll. Der Papst verweigert die Vergebung und so beschließt Elisabeth, sich für das Heil ihres geliebten Tannhäusers zu opfern.

Die Neuninszenierung orientiert sich in weiten Strecken an der Wiener Fassung von 1875. Wagner hatte seine 1845 uraufgeführte Oper immer wieder überarbeitet. Die Inszenierung aus Wien war die letzte, die er vor seinem Tod 1883 noch betreut hatte. Castellucci erweist dem 19. Jahrhundert kleine Referenzen, etwa wenn Mädchen mit Blütenkränzen im Hintergrund erscheinen.

Gleichzeitig gibt es viele Symbole, deren Sinn oft nicht einleuchtet und bei denen nicht immer klar ist, ob sie ironisch gemeint sind oder nur unfreiwillig komisch wirken. Etwa am Ende, wenn Tannhäuser von seiner ergebnislosen Pilgerfahrt zurückkehrt. Dramatisch hebt er an, Wolfram von der Reise nach Rom zu erzählen, beeindruckend gesungen von Vogt. Der Tod ist allgegenwärtig, das verdeutlichen zwei Sarkopharge, auf denen zwei Leichen liegen. Während gesungen wird, wird im Hintergrund ihre Verwesung dargestellt. Sie laufen blau an, verfärben sich braun, blähen sich auf und werden zum Gerippe, bis am Ende nur noch Staub übrig ist. Alles nachvollziehbar, doch worin liegt der Witz, wenn auf den Sarkophagen die Namen «Klaus» und «Anja» stehen?

«Es wird kein definiertes Ambiente geben, das man zeitlich oder räumlich verorten kann. Es werden Seelen-Landschaften sein», hatte Castellucci vor der Premiere erklärt. Geht es nach Castellucci, sieht es in diesen Landschaften ziemlich trist aus. Lust ist eklig, wahre Liebe ist unerfüllbar und am Ende zerfallen ohnehin alle zu Staub.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

Martina Geist zu Gast im Künstlerkreis Ortenau: "Augenlust".
vor 15 Stunden
Offenburg
Die Galerie im Artforum in Offenburg präsentiert Werke von Martina Geist. Ihre Bilder sind angesiedelt zwischen Druck, Zeichnung und Malerei.
Margret Koell und Stefan Temmingh verfügten bei ihrem Konzert über ein Instrumentarium, das über fünf Oktaven hinauswuchs.
vor 15 Stunden
Achern - Fautenbach
Mit ihren "Sound Stories" präsentierten Stefan Temmingh und Margret Koell in der Alten Kirche Fautenbach Werke aus fünf Jahrhunderten europäischer Musikgeschichte.
Dietrich Mack
vor 15 Stunden
Kulturkolumne
Musik ist nicht nur eine Himmelsmacht, sondern auch eine Macht auf Erden, die vielen Menschen hilft und einigen schadet.
Kam rockig daher: Musiker Alastair Greene beim Blues Caravan.
16.04.2024
Offenburg
Starke Stimmen und epische Gitarrenläufe: Blues Caravan in der Offenburger Reithalle mit Katarina Pejak, Eric Johanson und Alastair Greene.
Beliban zu Stolberg gastiert am Donnerstag bei "Wortspiel" und liest aus "Zweistromland".
16.04.2024
Literaturtage Wortspiel
Um die kurdische Bürgerrechtsbewegung und eine mutige Frau geht es in "Zweistromland" von Beliban zu Stolberg. Sie liest am Donnerstag, 18. April, in Offenburg in der Stadtbibliothek.
Charlotte Gneuß schaffte es mit ihrem Erstling auf die Longlist des Deutschen Buchpreises – heute liest sie in Offenburg.
15.04.2024
Literaturtage Wortspiel
Mit ihrem Romandebüt "Gittersee" hat die Autorin Charlotte Gneuß eine heftige Debatte entfacht. Zugleich erhielt sie mehrere Literaturpreise. Am Dienstagabend liest sie bei "Wortspiel" in Offenburg.
Dirigent Rolf Schilli (von links), Komponist Leonard Küßner und Musikschulleiter Peter Stöhr bei der Übergabe der Partitur von "Zeitenwende".
15.04.2024
Offenburg
Die Partitur ist übergeben: Nun probt die "Philharmonie am Forum" für die Uraufführung des Konzerts für Altsaxofon und Orchester des Komponisten Leonard Küßner am 5. Mai in Offenburg.
José F.A. Oliver.
15.04.2024
Kulturkolumne
So wie „spring“ im Englischen Frühling „m:eint“, lade ich Sie ein, hineinzuspringen – mitten in diesen Kolumnentext! In die Zeilen. Zwischen die Zeilen.
Barbara Ehrmann und Dieter Konsek stellen gemeinsam beim Kunstverein Offenburg/Mittelbaden aus. 
12.04.2024
Kunstverein Offenburg/Mittelbaden
Barbara Ehrmann zieht es ins Wasser, Dieter Konsek in den Wald. Die Bilderwelt der beiden Künstler zeigt eine gemeinsame Ausstellung beim Kunstverein Offenburg/Mittelbaden.
Die schweizerisch-österreichische Malerin Angelika Kauffmann vollendete das Ölgemälde "Klio, Muse der Geschichtsschreibung" um 1775. 
10.04.2024
Ausstellung in Basel
In der Ausstellung „Geniale Künstlerinnen“ zeigt das Kunstmuseum Basel Gemälde und Druckgrafik von Frauen von der Renaissance bis zum 18. Jahrhundert.
Hotel Rimini macht Popmusik, hält die Tür aber in alle Richtungen offen.
09.04.2024
Konzert
Das junge Sextett Hotel Rimini sucht noch nach der unverwechselbaren Handschrift. Das Konzert im Foyer der Offenburger Reithalle hatte trotzdem eine positive Resonanz des Publikums.
Der holländische Gitarrist und Songschreiber Bertolf Lentink bringt seine hochkarätige Tourband mit nach Bühl.
09.04.2024
Bluegrass-Festival
Bei der 20. Ausgabe des Bühler Bluegrass-Festivals am ersten Mai-Wochenende gibt es erstmals eine Matinee. Stargast beim Hauptkonzert ist die John Jorgenson Bluegrass Band.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".