Frankfurt/Main

Schirn entdeckt Wiener Expressionisten Richard Gerstl neu

dpa
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23. Februar 2017
«Die Schwestern Karoline und Pauline Fey» von Richard Gerstl.

«Die Schwestern Karoline und Pauline Fey» von Richard Gerstl. ©dpa - Boris Roessler

An Selbstbewusstsein hat es Richard Gerstl nicht gemangelt. Als 1908 die Wiener Kunstakademie seine Bilder nicht ausstellt, beschwert sich der junge Maler beim Ministerium und erklärt seine Kollegen für «vollkommen talentlos».

Gerstl (1883-1908) war ein zorniger Rebell, der mit seinen kraftvollen expressionistischen Bildern gegen die festgefahrenen Strukturen im damaligen Wien ankämpfte - in der Kunst wie in der Gesellschaft. Letztlich vergebens: Nach dem Ende einer skandalösen Liebesbeziehung hat er sich ohne jede Vorwarnung im Alter von 25 Jahren in einem radikalen Akt der Selbstdestruktion umgebracht.

Mehr als 100 Jahre danach widmet nun die Frankfurter Kunsthalle Schirn dem Maler, der heute immer noch ein bisschen als Geheimtipp gilt, die bisher umfangreichste Retrospektive. Vom 24. Februar bis 14. Mai sind 53 der 60 von Gerstl überlieferten Bilder zu sehen.

Ein schmales Werk - passend zum kurzen Leben eines Malers, der noch auf der Suche war. Dennoch ist daraus eine eindrucksvolle Schau geworden. Gerstl hat Gustav Klimt und die anderen Wiener Secessionisten, die mit ihrer Jugendstil-Ornamentik den Geschmack des reichen oberen Bürgertums bedienten, rigoros abgelehnt. Er setzte dagegen auf ungeschminkten Realismus. In seinen Werken sind zugleich Einflüsse der französischen Impressionisten wie van Gogh oder Manet unverkennbar - und auch von Edvard Munch, einem weiteren Wegbereiter des Expressionismus.

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Am bekanntesten wurde Gerstl, der auch viele Landschaften malte, durch großflächige Selbstporträts. Dabei lehnte er sich anfangs auch noch an den Symbolismus an. Später widmete er sich in Porträts seiner heimlichen Geliebten und Schülerin Mathilde Schönberg und deren Familie.

Gerstl hatte mit der sechs Jahre älteren Frau des Zwölfton-Komponisten Arnold Schönberg ein Verhältnis. Als im Sommer 1908 der Skandal aufflog und sich der Maler kurz darauf das Leben nahm, hielten beide Familien jahrzehntelang die Geschichte geheim. Gerstls Werke wurden eingelagert. Erst 23 Jahre später - im Jahr 1931 - brachte sein Bruder die Bilder zu einem Galeristen.

Heute wird der lange vergessene Gerstl neben Egon Schiele oder Oskar Kokoschka zu den wichtigsten Vertretern der Wiener Moderne gezählt. Dabei war Gerstl vor Kokoschka tätig - beide kannten sich auch gar nicht. Die Ausstellung rückt Gerstls letzte Porträts, in denen die Familie Schönberg mit dickem Farbauftrag nur noch verzerrt-schemenhaft wahrzunehmen ist, sogar in die Tradition des abstrakten Expressionismus von amerikanischen Malern wie Willem de Kooning (1904-1997).

Vor seinem Tod hat Gerstl alle Schriften und Dokumente zerstört. Er gibt also viel Anlass für kunsthistorische Spekulationen. «Die Betrachtung der Werke selbst ist der beste Weg, ihm näherzukommen», sagte Kuratorin Ingrid Pfeiffer. Im Anschluss an Frankfurt wandert die Ausstellung nach New York in die Neue Galerie weiter.

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