Wien

Unbekanntes Horvath-Werk vor Aufführung

dpa
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
30. August 2016
Deckblatt des Stücks «Niemand» von Ödön von Horvath.

Deckblatt des Stücks «Niemand» von Ödön von Horvath. ©dpa - Wienbibliothek

Als Ödon von Horvath am 1. Juni 1938 im Pariser Exil auf den Champs Élysée im Gewitter von einem herabstürzenden Ast erschlagen wurde, war er erst 36 Jahre alt.

Der Schriftsteller und Dramatiker, geboren in der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie, hatte etwa ein Dutzend Theaterstücke («Geschichten aus dem Wiener Wald») und mehrere Romane («Jugend ohne Gott») verfasst. Fast 80 Jahre nach seinem Tod feiert ein bisher unbekanntes Drama von ihm nun Uraufführung am Theater in der Josefstadt in Wien (1.9.). «Es gibt fantastische Sätze - und Momente, wo es ziemlich nebulos wird», sagte Josefstadt-Chef Herbert Föttinger der Zeitung «Der Standard».

In «Niemand - Tragödie in sieben Bildern» rankt sich die Handlung um 24 Menschen, die 1924 in einem Mietshaus ein erbärmliches Leben führen. Beim Auffinden des Stücks spielten Auktionshäuser in Pforzheim und Berlin sowie aufmerksame Leser von deren Katalogen eine entscheidende Rolle.

Das 95-seitige Typoskript eines der meistgespielten Dramatiker des 20. Jahrhunderts war zunächst beim Auktionshaus Kiefer in Pforzheim aufgetaucht. Dort war es nach Angaben des Auktionshauses 2006 versteigert worden. Obwohl als unbekanntes Werk von Ödön von Horvath im Katalog beschrieben, interessierte sich nur ein einziger Bieter für die Seiten in einem blauen Originalumschlag. Für ganze 250 Euro machte er einen glänzenden Kauf, erinnert sich eine Angestellte. 2015 machte der «kunsthistorisch sehr gebildete Sammler» seinerseits Kasse und lieferte das Horvath-Drama beim Berliner Auktionshaus Stargardt ein. Auch jetzt sprach sich der Theater-Knüller nicht wirklich herum.

«Für die Losnummer 133 gab es nur einige Bieter», sagt Stargardt-Geschäftsführer Wolfgang Mecklenburg. Interesse an dem auf einer Schreibmaschine getippten Text sei zwar vorhanden gewesen, aber es sei auch recht schnell erlahmt. Am Telefon bot die Wienbibliothek mit - und war nach wenigen Minuten um ein Original-Horvath-Stück reicher. «Wir konnten unser Glück kaum fassen. Damit hatten wir nicht gerechnet», sagt Kyra Waldner von der Wienbibliothek, einer Institution, die sich als

- Anzeige -

«Gedächtnisspeicher der Stadt» unter anderem um die Nachlässe berühmter Menschen kümmert. Bei einem Schätzpreis von 8000 Euro war der Hammer bei 11 000 Euro gefallen. Die Seiten hätten nur ganz wenige handschriftliche Korrekturen aufgewiesen, meint Mecklenburg. Aber die Echtheit des Dokuments «sei völlig außer Frage», sagt der Auktionator. Es bleibt völlig unklar, warum der Verlag «Die Schmiede», bei dem der Text 1924 eingereicht wurde, das Stück unbeachtet gelassen hat.

«Nahezu alles, was mit diesem Stück zusammenhängt, muss uns rätselhaft erscheinen», schrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) im März 2015 anlässlich der Berliner Versteigerung. Möglicherweise seien damals die wirtschaftlichen Probleme des Verlags ein Grund gewesen, so die «FAZ» weiter. Einziger bisheriger Hinweis auf das Frühwerk Ödön von Horvaths waren Aussagen von seinem jüngerem Bruder Lajos, der sich an ein in expressionistischer Manier geschriebenes Stück namens «Niemand» erinnerte.

Die Rechte an «Niemand» werden nun vom auf Theater spezialisierten Wiener Thomas Sessler Verlag verwaltet. Dort ist der Text als Buch erschienen. Auch einige deutsche Bühnen seien an der Uraufführung interessiert gewesen, sagte die Verlags-Geschäftsführerin Maria Teuchmann zum Kultur-Blog «Mottingers Meinung». Die Zusicherung einer sehr werkgetreuen Aufführung mit allen 24 Charakteren habe den Ausschlag für das Theater in der Josefstadt gegeben.

Am 25. März 2017 wird «Niemand» im Deutschen Theater in Berlin in einer Inszenierung von Dusan David Parizek auf die Bühne kommen. Die Tantiemen kassiert die Wienbibliothek - und wird sie zweckgebunden zum Kauf neuer Nachlässe und Handschriften ausgeben.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

José F. A. Oliver
vor 23 Stunden
Kulturkolumne
Einst las ich den Satz, die Zeit sei eine blinde Führerin. Übersetzt hieß das für mich nichts anderes, als dass wir diejenigen sein sollten, die diese an die Hand nehmen müssten. In einer Welt, die groß ist und klein zugleich: Die Welt ist groß. Die Welt ist klein ...
Berühmten Kollegen setzte Anna Haifisch ein Denkmal. So zeigt sie in einer Zeichnung den Karikaturisten Saul Steinberg (1914–1999) beim Kampf gegen eine Schaffenskrise.
26.03.2024
Ausstellung in Straßburg
Noch bis zum 7. April sind im Straßburger Musée Tomi Ungerer Werke der deutschen Zeichnerin Anna Haifisch zu sehen. Sie stellt Menschen gerne oft als Tiere dar und karikiert Kollegen.
Gäste im "Grand Hotel Grimm" mit unlauteren Absichten: ein Zwerg mit langem Bart, ein unscheinbarer Handlungsreisender und eine elegante junge Dame mit dem Namen Rotkäppchen.
26.03.2024
Puppenparade Ortenau
Die „Berliner Stadtmusikanten“ des Theaters Zitadelle sind in die Jahre gekommen. Mit „Grand Hotel Grimm“ boten sie bei der Puppenparade in Lahr dennoch eine erfrischende Vorstellung.
Im Mittelpunkt der Tragödie: die Schwestern Chrysothemis (Elza van den Heever, links) und Elektra ­(Nina Stemme).
26.03.2024
Festspielhaus Baden-Baden
Das archaische Thema der Oper „Elektra“ ließ das Publikum bei der Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden frösteln. Umjubelt wurden Sängerin Nina Stemme und Dirigent Kirill Petrenko.
Dietrich Mack. 
26.03.2024
Kulturkolumne
„Hoffnungsglück“ hat Goethe die Aufbruchstimmung genannt, die der Frühling verbreitet..Dieses Gefühl genießt auch der Kolumnist, der verrät, warum für ihn Bach nicht nur der fünfte, sondern auch der beste Evangelist ist.
Sechshändig am Klavier: die Schwestern Alisa und Lia Benner aus Lahr und Ennco Sinner aus Kippenheim.
19.03.2024
"Jugend musiziert"
Eine Auswahl der Besten beim Landeswettbewerb in Offenburg stellte sich in der Offenburger Reithalle vor, oft begleitet von Vater, Mutter oder Geschwistern.
Harte Szene im Gemüsekrimi: Dietmar Bertram hobelt eine Gurke, um sie zum Reden zu bringen.
17.03.2024
Lahr
Ein Detektiv spielt mit Essen: Dietmar Bertram präsentierte „Hollyfood – Die Gemüsekrimis“ bei der Puppenparade Ortenau im Lahrer Schlachthof.
Am Abgrund: In "A long way down" wird über ein ernstes Thema gealbert. 
17.03.2024
Offenburg
Mit britischem Humor thematisiert die Tragikomödie „A long way down“ die Selbstmordgedanken gescheiterter Existenzen. Für die Aufführung in der Oberrheinhalle gab es viel Beifall.
Von Gier befeuert: Carsten Klemm (rechts) als Kunstfälscher Fritz Knobel und Luc Feit (links) als Skandalreporter Hermann Willié. 
17.03.2024
Lahr
Den Skandal um die angeblichen Hitlertagebücher des Kunstfälschers Kujau brachte die Landesbühne Esslingen mit „Schtonck“ auf die Bühne.
Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten zeigt Karl Vollmer im Artforum.
17.03.2024
Offenburg
Karl Vollmer reflektiert das Zeitgeschehen und bezieht Position. Zwei Werke seiner Ausstellung „Wider Erwarten – Ortung“ beim Kunstverein Ortenau hat er Alexej Nawalny gewidmet.
Das Trio Van Beethoven erhielt frenetischen Schlussbeifall.
13.03.2024
Achern
Das Trio Van Beethoven eroberte am Sonntag mit Werken von drei weitgehend unbekannten Komponisten das Publikum in der Alten Kirche Fautenbach.
Mit ein bisschen Absurdität und jeder Menge Witz ließ das Theater Handgemenge seinen König auf Reisen gehen.
13.03.2024
Kehl
Das Schattenspiel um Herrn König bescherte dem Kehler Publikum einen großartigen Puppenparade-Abend

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.