Anklage wegen Betrugs: Onlinehändler kommen vor Gericht
Betrug in 276 Fällen mit einem Gesamtschaden über 47 000 Euro wirft die Staatsanwaltschaft Offenburg den beiden Betreibern eines Onlinehandels aus Oberkirch vor. 750 weitere Strafanzeigen geprellter Kunden blieben in dem zwei Jahre dauernden Ermittlungsverfahren – unbearbeitet.
Die Schlinge für die beiden Betreiber eines Onlinehandels aus Oberkirch, der seit zwei Jahren im Fokus der Staatsanwaltschaft steht, zieht sich zu. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer auf Anfrage der ARZ mitteilt, hat die Staatsanwaltschaft Offenburg vor Kurzem Anklage gegen das Online-Versandhandelsunternehmen wegen Betrugs erhoben. »Den beiden Angeschuldigten werden 276 Fälle des Betrugs mit einem Gesamtschaden von rund 47 000 Euro zur Last gelegt, die im Zusammenhang mit Bestellvorgängen standen«, erläutert Schäfer.
Sie sollen Waren, die per Internet bestellt worden waren, nicht geliefert haben, obwohl diese von den Kunden im Voraus bezahlt wurden (die ARZ berichtete mehrfach). Bei der Annahme der Bestellungen und der Entgegennahme des Kaufpreises sollen die Angeschuldigten damit gerechnet haben, die Waren nicht liefern zu können. Über ihre fehlende Lieferfähigkeit sollen sie laut Schäfer die Kunden bewusst getäuscht haben.
Aufgabe der Ermittler war es herauszufinden, ab wann die Betreiber des Onlinehandels wussten, dass sie die bestellte Ware nicht liefern konnten und diese trotzdem zum Verkauf anboten. Das hatte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft im Januar gegenüber dieser Zeitung erklärt.
750 weitere Anzeigen blieben unbearbeitet
Um den Abschluss des seit Frühjahr 2015 laufenden Verfahrens nicht durch eine Ausdehnung der Ermittlungen zu verzögern, wurde laut Schäfer auf die Verfolgung von rund 750 weiteren Strafanzeigen verzichtet. »In einem Teil der Fälle erschien überdies zweifelhaft, ob die Nichterfüllung des Kaufvertrages strafrechtlich relevante Gründe hatte oder ob sie nicht ausschließlich zivilrechtlich zu beurteilen waren.«
Nach wie vor ist die Homepage des Onlinehandels erreichbar, auch Bestellungen sind weiterhin möglich. »Ob die Voraussetzungen für ein strafrechtliches Berufsverbot erfüllt sind, wird das Gericht zu prüfen haben«, betont der Oberstaatsanwalt. Gewerberechtliche Maßnahmen setzten in der Regel eine rechtskräftige Verurteilung voraus und seien Sache der zuständigen Gewerbebehörden (siehe Hintergrund).
Geschäftsführer will keinen Kommentar abgeben
Mit den Betrugsvorwürfen konfrontiert, erklärte einer der beiden Geschäftsführer im August vergangenen Jahres gegenüber der ARZ, die Anzeigen der Kunden – nach seinen Angaben zum damaligen Zeitpunkt 300 – müssten in Relation zum Auftragsvolumen betrachtet werden. Rund 40 000 Bestellungen habe er im Zeitraum von Oktober 2014 bis zum 17. Februar 2016 abgewickelt. Zu den aktuellen Betrugsvorwürfen der Staatsanwaltschaft und der Anklageerhebung wollte sich der Geschäftsführer gegenüber der ARZ nicht äußern.
Ein Termin für eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Offenburg steht laut Amtsgerichtsdirektor Rolf-Dieter Sigg noch nicht fest.
Stadt wartet Gerichtsurteil ab
Der Gewerbebehörde der Stadt Oberkirch sind zum jetzigen Zeitpunkt die Hände gebunden, erklärt Frank Niegeloh. »Ein Betrugsverfahren alleine reicht nicht, um einem Geschäft die Gewerbeerlaubnis zu entziehen«, meint der Fachbereichsleiter für »Bürgerservice und Ordnung« mit Blick auf den für Negativschlagzeilen sorgenden Onlinehandel. Vielmehr gehe es um die Frage der »Zuverlässigkeit« eines Unternehmens im juristischen Sinne. Dazu gehöre, dass das Unternehmen seine Steuern zahle. Die Rechtssprechung lasse der Gewerbebehörde da keinen Spielraum. Eine Schließung des Geschäfts ohne rechtliche Grundlage würde laut Niegeloh sofort wieder aufgehoben, mit negativen Folgen für die Stadt.
Dass sich das Verfahren so lange hingezogen hat, bedauert Niegeloh. »Auch bei uns laufen die Telefone heiß.« Viele geprellte Kunden des Onlinehandels hätten sich bereits bei der Stadt beschwert.
Weiter abwarten will Niegeloh nach einer möglichen Verurteilung der beiden Betreiber des Onlinehandels nicht. Er werde dann das Risiko eingehen und die Schließung des Geschäfts veranlassen.
Die Mühlen der Justiz
Strafrechtliche Ermittlungen sollen Beweise für eine hieb- und stichfeste Verurteilung vor Gericht liefern. Zeitdruck ist da in der Regel fehl am Platz. Im Falle des Oberkircher Onlinehandels, der nun wegen 276 Betrugsfällen angeklagt wird, haben die Mühlen der Justiz aber zu langsam gemahlen. Zwei Jahre dauerten die Ermittlungen zur Abzocke von hunderten Kunden. Vor den Augen der Justiz nahm die Zahl der Geschädigten von Tag zu Tag zu, ohne dass den Händlern das Handwerk gelegt wurde.
Dass die Ermittlungen so lange dauerten, kann aber auch für die Gewieftheit der Beschuldigten sprechen und dafür, dass es nicht einfach war, ihnen den Betrug nachzuweisen. Für die Geschädigten ist es nur ein kleiner Trost, dass die Abzocker bald vor Gericht stehen. Ihnen wäre mit einem handlungsfähigen Verbraucherschutz mehr geholfen gewesen, der sie gar nicht erst in die Falle tappen lässt.