Beklemmend und vergnüglich
Es schneite in dicken Flocken und der Wetterbericht verhieß für den Abend noch mehr davon. Trotzdem füllte sich der Saal in der Mediathek bis auf zum letzten Stuhl an den kerzengeschmückten Tischen. Der Förderverein der Mediathek lud erstmals im neuen Jahr wieder zum »Offenen Buch« des Autorennetzwerks Ortenau-Elsass ein.
Erst seit gut einem Jahr bestehend, weist die eng mit dem Förderverein Mediathek verbundene Gruppe des Autorennetzwerks Ortenau-Elsass bereits 46 Wortkünstler aus der Ortenau und dem grenznahen Elsass auf und stellt regelmäßig ihre Werke vor. In Oberkirch begann die Serie im Januar und setzt sich mit Terminen im März, an den Literaturtagen im Oktober und im Dezember fort.
Die Oberkircher Autorin Karin Jäckel moderierte durch den Abend und führte die vier Wortkünstler mit ihren Novellen, Gedichten und Liedern ein. Sebastian Köhli aus Lahr ist einer der Jüngsten im Autorennetzwerk. Musiker am Horn, Skilehrer, Volleyballer, Golfer, Fechter, Angler, Geologe, Gymnasiallehrer für Germanistik, Geologie und Chemie, Autor, die Liste seiner Talente ist lang. Journalistisch vorgeprägt, begann er 2006 als »gelebtes Bedürfnis« zu schreiben und veröffentlichte wenige Jahre später mit »Feiste Worte« sein erstes Kurznovellen-Buch. Sein Vortrag »Barsche Hechte« präsentierte ein noch im Werden begriffenes Novellen-Werk, das sich in jedem Beitrag mit dem Paargedanken auseinandersetzt. Mutig setzte Sebastian Köhli sich mit dem schweren Seelenkonflikt eines Pädophilen auseinander, der seine Leidenschaft nicht auslebt und an der eigenen Gewissensnot zu zerbrechen droht. Die nachdenkliche Beklommenheit des applaudierenden Publikums gab dem Autor Recht: Auch solche Themen gehören zum Autorennetzwerk.
»Märchen à la carte«
Schwierig für Hannelore Schlote, aus der harten Wirklichkeit die Brücke ins Märchenreich zu schlagen, über die ihr die Zuhörer aber wohl gerade wegen des krassen Unterschieds gern folgten. Die in Durbach heimische gebürtige Berlinerin hat sich intensiv mit Märchen befasst, unter anderem mit »Märchen à la carte« ein Kochbuch mit Rezepten zu Märchenthemen-Menüs geschrieben. Eigenhändig illustriert, sind ihre Bücher nicht nur Lesegenuss, sondern auch Augenschmaus. Aktuell kann eine Ausstellung der Goldmalereien der Autorin im Oberkircher »Café Kuckuck« bewundert werden.
Sichtlich vorgefreut hatte sich das Publikum auf Josef Wilhelms alemannische Mundartschätze. Der einstige Ortsvorsteher aus Mösbach versteht es trefflich, aus seinem naturverbundenen, mitmenschlich geprägten Versen vorzutragen. Der Schalk in seinen Augen ist einfach mitreißend, wenn er mit sprechender Mimik zum Beispiel vom Pfarrer liest, der vor nicht allzulanger Zeit noch als Stellvertreter Gottes auf Erden verehrt wurde, bis dieser sich ein Motorrad anschaffte und fortan schneller »zum Teufel na« an seinen Schäfchen vorbei war, als diese grüßen konnten.
Abschließend verzauberte die Liedermacherin Dorothee im Solo oder Duo mit ihrem Ehemann Klaus Engelhardt. Die medienbekannte Musikerin, die mit dem Schwarzwald-Duo Seitz auf weltweite Kreuzfahrtreisen ging, schrieb ihre ersten eigenen Songtexte als junge Großmutter. Sympathisch, dass trotz der Bühnenerfahrung, auch heute noch immer etwas Lampenfieber für Dorothee dazu gehört.