Betrugsprozess: Richter kritisiert Kripo-Ermittlungen
Wegen Internet-Betrugs hatte sich ein 43-jähriger Kaufmann vor dem Amtsgericht Achern zu verantworten. »Nicht nachvollziehbar oberflächlich« nannte Richter Michael Tröndle die Ermittlungen der Kripo. Daher konnten die gewerbsmäßigen Straftaten nicht in ausreichendem Umfang nachgewiesen werden.
Nicht alle vorgeworfenen Straftaten konnten einem 43-Jährigen Angeklagten vom Amtsgericht Achern nachgewiesen werden. Letztlich blieb nur der Vorwurf der privaten illegalen Nutzung von Pay-TV-Programmen sowie der Vorbereitung einer illegalen Nutzung in drei Fällen. Richter Tröndle verhängte somit »nur« eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro.
Insgesamt 27 Straftaten hatte der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, darunter 24 Fälle der gewerbsmäßigen Beihilfe zum Internetbetrug. Der Angeklagte soll es Kunden per Cardsharing-Software und Zugangscodes ermöglicht haben, ohne Abo und Karte und damit illegal Pay-TV-Kanäle zu nutzen. Zum Tatvorwurf machte er keinerlei Angaben.
Server in Russland
Als erster Zeuge sagte ein Kommissar der Kripo Offenburg aus, dass er im Mai 2014 von der Staatsanwaltschaft Verden über Ermittlungen wegen illegaler Nutzung von Pay-TV-Sendern informiert wurde. Dabei wird ein legal erworbenes Abo über Programme und Schlüssel an andere »verteilt«, deren IP-Adresse nirgends auftaucht. Die Server stehen etwa in Russland und China.
Durch Chat-Protokolle geriet der Online-Händler aus der nördlichen Ortenau ins Visier. Dessen Geschäftsräume und Wohnung wurden von je zwei Beamten, darunter IT-Spezialisten, durchsucht. In der Werkstatt wurden Receiver gefunden, die der Angeklagte als »B-Ware« und »Rückläufer« bezeichnet habe. Die Untersuchung der Geräte ergab, dass die Netscan-Plugins samt Code installiert waren. Er könne nicht prüfen, was die Kunden vor der Rückgabe der Geräte an Software installieren, erklärte der Angeklagte damals. Eine Überprüfung der Geschäftsabwicklungen, Rechnungen, Zahlungseingänge oder Reklamationen fand nicht statt, so der Zeuge auf Fragen des Richters. Das wurde ebenso mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wie der Umstand, dass auch die Schachteln, auf denen die »Rückläufer« standen, nicht näher geprüft wurden.
»Sky« ohne Abo
Ein zweiter Kripo-Ermittler berichtete von verdächtigen Chat-Protokollen auf Rechnern des Angeklagten. Da die Geräte nicht passwortgeschützt waren, hätte allerdings jeder, der Zugang zur Werkstatt hatte, mit dem Namen des Angeklagten chatten können. Ergiebiger sei die Durchsuchung der Wohnung gewesen, von der ein dritter Beamter als Zeuge berichtete. Der Fernseher sei über den Receiver sofort beim Bezahlsender »Sky« gelandet, ohne dass ein Abo vorhanden oder eine Karte installiert war.
Unergiebig war das Verhör des Radio- und Fernsehtechnikers aus Verden, gegen den wegen Computerbetrugs ermittelt wird. Auf Hinweis seines energisch auftretenden Rechtsbeistands machte er keine Angaben und verriet auch nicht, ob er den Angeklagten kennt. Richter Tröndle ließ ins Protokoll aufnehmen, dass der Zeuge offensichtlich befürchte, sich selbst zu belasten.
Der Vertreter der Staatsanwalt sprach von einer schlampigen Ermittlung der Kripo, durch die es nicht möglich sei zu widerlegen, dass es sich bei den Receivern um Rückläufer handelte. Nur der Computerbetrug mit dem empfangsbereiten Receiver in der Wohnung des Angeklagten sei mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 Euro zu bestrafen.
Auch der Verteidiger wunderte sich, dass die Kripo dem Geschäftsverkehr im Internet samt Pay-Pal-Zahlungen nicht weiter nachgegangen war. Die illegale Nutzung des Pay-TV-Senders durch seinen Mandanten sei nicht nachgewiesen, er forderte Freispruch.
Keine Freiheitsstrafe
In seinem Urteil sah Richter Tröndle neben dem vollendeten Computerbetrug auch drei Fälle des Versuchs als erwiesen an, weil diese Receiver verkaufsbereit den illegalen Zugang ermöglichten. Staatsanwalt und Kripo hätten »nicht einmal ansatzweise ordnungsgemäß ermittelt«, weder die Rechner gesichert noch Chat-Protokolle und den Finanzverkehr des Angeklagten überprüft. Eine gewerbsmäßige Beihilfe, die zu einer hohen Freiheitsstrafe hätte führen können, war so nicht mit der notwendigen Sicherheit zu beweisen. So wurde eine 4500-Euro-Geldstrafe verhängt, die Receiver werden eingezogen.