Böse Verleumdung empfindlich bestraft
Nicht einfach hatte es das Gericht, als es am Dienstag über einen Fall von Verleumdung zu verhandeln hatte. Dazu waren drei Schwestern im Sitzungszimmer: Die jüngste war Zeugin, sie hatte die Älteste angezeigt, sie an ihrem möglichen künftigen Arbeitsplatz schwer verleumdet zu haben. Deshalb saß diese auf der Anklagebank. Eine weitere Schwester, die offensichtlich auf der Seite der Angeklagten stand, war über das Urteil des Richters empört und brachte das auch laut zum Ausdruck, weshalb sie aus dem Verhandlungsraum gewiesen wurde.
Der Angeklagten wurde vorgeworfen, sich Mitte März im Hof eines Taxiunternehmens als »Frau Müller vom Jugendamt« ausgegeben zu haben. Die Frau, die an diesem Tag dort zur Probe beschäftigt war, würde ihre Kinder schwer vernachlässigen und misshandeln, zudem habe sie schon zwei Autos zu Schrott gefahren.
Nach kurzer Beratung mit ihrem Anwalt nahm die 59-jährige Angeklagte Stellung zum Tatvorwurf. Sie könne gar nicht bei dem Taxiunternehmen gewesen sein, da sie an diesem Vormittag gearbeitet habe und lückenlos im Betrieb gewesen sei. Zum Verhältnis zur jüngsten Schwester erklärte sie, mit dieser seit dem Tod des Vaters jeden Kontakt abgebrochen zu haben.
Verdacht geschöpft
Als erste Zeugin erkannte die Mitarbeiterin des Taxiunternehmens die angebliche Frau vom Jugendamt, die weder ihren Ausweis zeigen noch ihre Telefonnummer nennen konnte, gleich wieder. Nachdem sie selbst eine Stunde später in den Betrieb zurückgekommen sei, habe sie die Frau, die diesen Tag zur Probe Fahrdienst hatte, erstmals gesehen. Diese habe im Gespräch mit der Chefin hemmungslos geweint. Als die zur Probe arbeitende Frau der Chefin auf dem Handy ein Foto ihrer ältesten Schwester zeigte, habe diese sie sofort als die angebliche Frau vom Jugendamt identifiziert. Die Geschädigte sagte als Zeugin aus, dass ihr bei der Beschreibung der Mitarbeiterin, wie die »Frau vom Jugendamt« aussah, ihre älteste Schwester eingefallen sei, was das Foto bestätigte. So äußerte sich auch die Geschäftsführerin des Taxiunternehmens. Einen zweiten Tag Probefahren habe es nicht gegeben: Sie habe die Frau heimgeschickt, um erst mal ihr Leben in Ordnung zu bringen.
Der Verteidiger der Angeklagten hakte immer wieder nach und wollte den genauen Ablauf und Details geschildert haben, wobei sich im Hinblick auf die Haarfarbe der Täterin und Gesprächsabläufe im Büro schon einige Widersprüche zeigten.
Auch die »echte« Frau vom Jugendamt wurde als Zeugin gehört. Sie hatte noch am selben Tag klargestellt, dass eine Person ihren Namen benutze und dabei Dinge gesagt habe, die sie selbst aufgrund ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit nie gemacht hätte.
Es folgten die Aussagen der Chefin und zweier Kolleginnen der Angeklagten. Diese verwiesen auf die Stempelungen der Zeiterfassung, nach denen die Angeklagte von 7.48 bis 12.17 Uhr im Betrieb war. Richter Tröndle fragte nach, ob die Stempelungen manipuliert werden könnten und ob bemerkt würde, wenn jemand bei längeren Pausen das Stempeln »vergesse«. Alle drei Zeuginnen gingen davon aus, dass das Abstempeln von jedem ordnungsgemäß vorgenommen werde und jede längere Abwesenheit auffalle.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sah diese drei Zeuginnen als unglaubwürdig an. Die Aussagen der Mitarbeiterin des Taxiunternehmens sei dagegen eindeutig, sie habe kein Motiv für eine Falschaussage und die Angeklagte sofort wiedererkannt. Sie forderte für die Angeklagte eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30 Euro. Im Gegensatz plädierte der Verteidiger auf Freispruch.
Richter Tröndle sah den Tatvorwurf als erwiesen an. Die »Vernichtung eines geplanten Arbeitsplatzes« durch »eine an Bösartigkeit kaum zu übertreffende« Verleumdung, so Tröndle, führte auch zu einer deutlich höheren Strafe als beantragt: Die Angeklagte wurde zu 60 Tagessätzen zu je 35 Euro und den Kosten des Verfahrens verurteilt.