Der Künstlerin über die Schulter schauen
In Edda Grossmans »Offenem Atelier« im Simplicissimus-Haus kann man der Künstlerin noch bis zum Freitagvormittag beim Schaffen ihrer 28. Zeichnung zu »Trutz Simplex« über die Schulter blicken.
Normalerweise arbeitet Edda Grossman in der völligen Stille. Abgeschieden. Nachts. Und manchmal auch bis in die frühen Morgenstunden. Im Rahmen der Renchener Kulturtage 2014 erlebt die in Sachsen-Anhalt und Barcelona freischaffende Künstlerin eine für sie neue Form des Arbeitens: Sie zeichnet in einem »Offenen Atelier« im Simplicissimus-Haus, in dem jeder, der Lust hat und neugierig ist, vorbeischauen kann.
Zyklus-Zeichnungen
Damit begonnen hat sie Dienstag um 17 Uhr. Bis Freitag, 12 Uhr, soll ihr Werk vollendet sein. Dann wird es nämlich abends mit ihren bislang 27 Zyklus-Zeichnungen zu Grimmelshausens »Trutz Simplex oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstürtzerin Courasche« bei der Vernissage im Rathaus gezeigt.
Es ist die 28. Zeichnung zum 28. Kapitel des Buches und wie die Künstlerin gesteht: »Eine Herausforderung durch die Dichte an literarischen Bildern.« Bei der Arbeit geht Edda Grossman intuitiv und assoziativ vor. Das heißt: Sie liest, folgt ihrem Gefühl und zeichnet. Manchmal googelt sie auch einzelne Wörter, die sie liest, um weiter zu assoziieren. Wie bei »Kirchweihe«. Das Wort verbindet sie mit dem inneren Bild einer Kirche samt Kreuz, aber auch ein Geweih taucht vor ihrem geistigen Auge auf.
Und wenn Grimmelshausen von einem weißen Blatt Papier schreibt, sieht die Künstlerin ein weißes Rechteck vor sich und die innere Stimme sagt ihr: »Leer lassen. Gar nichts rein.«
»Ich löse mich vom Text und schreibe mit meiner Zeichnung einen eigenen und komme immer wieder zurück«, sagt sie. Und das geht bei einem Thema, wie der Courasche, schon mal an die Substanz: Krieg, Mord, Tod, Vergewaltigung, Prostitution, Erotik, das Spannungsfeld Mann – Frau, Syphilis. Destruktion und Libido – und die Künstlerin mittendrin. »Das sind tiefe Gefühle, die mich manchmal selbst erschrecken«, sagt sie und dass diese sie immer wieder vor die Frage stellten: »Wer bin ich?«
Gefühlstiefe
Auf das alte, handgeschöpfte Papier bringt Edda Grossman diese Gefühlstiefe mit farbiger Kreide, Rötel, Kohle, Pigmentstiften. Ein spannender Prozess, der noch in den nächsten Tagen auch für künstlerisch völlig Unbedarfte im Simplicissimus-Haus miterlebt werden kann. Hingehen, zusehen und Zeuge werden, wie ein einmaliges Werk der Reihe »Aus den Schätzen des Simplicissimus-Hauses« entsteht, das einmal mehr das literarische Schaffen Grimmelshausens thematisiert und in die Gegenwart holt.
Termine
Edda Grossman arbeitet noch an folgenden Tagen in ihrem »Offenen Atelier« im Simplicissimus-Haus in Renchen: Heute, Mittwoch, und Freitag, jeweils von 10 bis 12 Uhr, sowie morgen, Donnerstag, 17 bis 19 Uhr.
Die anschließende Ausstellung ist von 24. Oktober bis 30. Januar zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen. Die Vernissage findet am kommenden Freitag, 24. Oktober, um 19 Uhr, im Bürgersaal statt.