Die Pflegekräfte machen mobil
Die Pflegekräfte der Region wollen sich nicht länger mit Absichtserklärungen hinhalten lassen. Dem aus Stuttgart angereisten Landtagsabgeordneten Manfred Lucha gellte bei der Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft Pflege am Mittwochnachmittag in Achern ein Pfeifkonzert in den Ohren.
Achern. Weit über 300 Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen aus dem Acher-, Rench- und Sasbachtal hatten sich nach ihrem Demonstrationszug durch die Innenstadt (wir berichteten) auf dem Rathausplatz versammelt. Sabine Fronz, Geschäftsführerin im Altenpflegeheim St. Franziskus Achern, brachte die Forderungen der Pflegeeinrichtungen in einer kämpferisch gehaltenen Ansprache auf den Punkt. Bis 2030 werden eine halbe Million ausgebildete Fachkräfte benötigt, bilanzierte Sabine Fronz. Höchste Zeit sei es deshalb, den Beruf mit einer Änderung der Rahmenbedingungen und Verdienstmöglichkeiten attraktiver zu gestalten, schließlich brauche die »professionelle Pflege tragfähige Lösungen für die Zukunft«. Angesichts der Rekordreserve des Gesundheitsmisteriums bei der Pflegeversicherung in Höhe von 6,6 Milliarden Euro, wünschen sich die Anbieter, »dass mehr Geld direkt bei den Einrichtungen und Diensten der professionellen Pflege und damit bei den Pflegebedürftigen in Form von guter Pflege und Versorgung ankommt«.
Pfiffe und Zurufe
In der von Günther Laubis moderierten Diskussion stand Manfred Lucha, der stellvertretende Vorsitzende der Enquetekommission »Pflege in Baden-Württemberg« kräftig unter Druck. Es nützte ihm wenig, die Grüße von Helmut Rüeck (CDU), dem Vorsitzenden der Kommission, auszurichten und darauf hinzuweisen, dass auch er den Pflegeberuf erlernt habe. Spätestens als Manfred Lucha die »Aufarbeitung der Probleme« anführte, antwortete das Publikum mit einem Pfeifkonzert und dem Zuruf: »Wie lange wollen Sie noch aufarbeiten, wir sind abgearbeitet!« Immerhin konnte der Abgeordnete der Grünen mit der Ankündigung, »die Verbesserung der Fallpauschale ist so nah wie nie«, punkten. Thomas Kohler und Marcus Jokerst beklagten den seit 20 Jahren unverändert gebliebenen Personalschlüssel und forderten eine »deutliche Zunahme«. Helmut Gnädig (Caritasverband) informierte, dass Pflegekassen und Sozialhilfeträger nur minimale Verbesserungsangebote akzeptierten und deshalb der bestehende Vertrag gekündigt worden sei. »Pflege hat ihren Preis, den wir bezahlen müssen«, stimmte Manfred Lucha zu. Dazu gehöre aber auch, die »Zuzahlung aus der Pflegeversicherung zu erhöhen«, damit die Pflege nicht in den Bereich der Illegalität abrutscht, machte Marcus Jokerst aufmerksam.
»Bei der Arbeitsbelastung hält Deutschland den Negativrekord«, bemerkte die Bühler Stadträtin Margret Burget-Behm. Während sich in Norwegen eine Pflegekraft um fünf Patienten kümmert, werden in Deutschland 13 Patienten von einer Person betreut, habe eine Studie ergeben. Sven Schuhmacher vom Bundesverband privater Anbieter vertrat die Forderung, dass die Überprüfung der Einrichtungen nur noch »alle zwei bis drei Jahre« erfolgen soll. Eindringlich wurde die Politik gebeten, die Probleme der stationären Pflege anzugehen. Schließlich wurde Manfred Lucha ein für das Sozialministerium bestimmter Scheck in Höhe von rund 60 000 Überstunden überreicht. Soviel Mehrarbeit sei in 30 Einrichtungen der AG Pflege im vergangenen Jahr bewältigt worden, erklärte Marcus Jogerst, um mit dieser demonstrativen Geste die Bereitstellung zusätzlicher Pflegestellen anzumahnen.