Erzbischof: »Die Seelsorgeeinheiten kommen an Grenzen«
Beim 40. Männertag am Sonntag auf Marienfried zelebrierte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger die Messe. Im Anschluss daran ging er im Interview mit der ARZ auf die aktuellen Herausforderungen für die Kirche ein.
Herr Erzbischof, vielen Christen ist der Unterschied zwischen evangelischer und katholischer Kirche nicht mehr bewusst. Wie kann man Ökumene leben und praktizieren, ohne die katholischen Glaubenswahrheiten zu verwässern?
Stephan Burger: Viele Menschen unterscheiden heute kaum zwischen evangelisch und katholisch, sondern nehmen uns insgesamt als Kirche wahr. Das diesjährige Reformationsgedenken ist eine Gelegenheit, um die Gemeinsamkeiten zu stärken, ohne die Unterschiede zu verschweigen. In der Ökumene ist schon viel gewachsen. Dies gilt es kontinuierlich fortzuführen. Wir haben allein auf dem Gebiet unserer Erzdiözese 110 Kooperationsvereinbarungen zwischen katholischen und evangelischen Gemeinden. Wir führen Gespräche über gemeinsame Themen, welche die Erzdiözese und die Landeskirche betreffen. Für mich ist das Grundlegende das Vertrauen in den anderen, der gute Umgang miteinander. Es darf nicht der Verdacht bestehen, dass der andere mich über den Tisch ziehen will, sondern dass ich lernen will, warum er im Detail anders denkt.
Kritik an der Kirche, Kirchenaustritte, Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr taufen: Wie kann die Kirche dem Glaubensschwund entgegenwirken?
Burger: Wir haben die Freiheit jedes Einzelnen zu achten, sich für oder gegen den Glauben an Jesus Christus zu entscheiden. Das Annehmen der Botschaft des Evangeliums kann nicht erzwungen werden. Dennoch bleibt es der Grundauftrag der Kirche, immer wieder neu die Botschaft Jesu Christi zu verkünden. Da braucht es heute kreative Wege und überzeugte und überzeugende Christen. Und es braucht eine Sprache, welche die Menschen verstehen. Ich bin gewiss, dass Gott auch heute wirkt. Vielen fällt es aber schwer, so zu denken. Denken wir etwa an die Osternacht. Am Anfang ist alles dunkel. Dann kommt ein Licht, das Licht Christi, das sich immer weiter ausbreitet. Hier sehe ich ein zentrales Glaubensgeheimnis symbolisiert: Die Liebe, dieses Leben mit Gott, ist so stark, dass sie nicht totzukriegen ist.
Viele Gemeinden haben keinen eigenen Priester mehr. XXL-Seelsorgeeinheiten werden zur Normalität. Wie sieht die pastorale Zukunft in unserer Erzdiözese aus, wenn der Priestermangel weiter voranschreitet?
Burger: Wir haben am vergangenen Freitag und Samstag mit allen diözesanen Räten den Anhörungsentwurf der diözesanen Leitlinien diskutiert und uns über diese Frage ausgetauscht. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die heutige Konzeption der Seelsorgeeinheiten an ihre Grenze kommt und nicht einfach fortgeführt werden kann.
Warum?
Burger: Die pastorale Planung, die bislang vorrangig an einer flächendeckenden, möglichst identisch gestalteten und zentral gesteuerten Entwicklung orientiert war, braucht zwingend eine Neuausrichtung, zum Beispiel »Pastorale Zentren«. Sie werden stärker missionarisch ausgerichtet sein. Sie bieten die Möglichkeit, hauptamtliche Mitarbeiter spezifischer nach ihren Charismen einzusetzen und vorhandene Kräfte zu bündeln. Die Errichtung, Aufgabenstellung und Entwicklung solcher Zentren werden in den nächsten Jahren an mehreren Standort erprobt werden, um Erfahrungen zu sammeln.