Europa-Union Achern feiert »70 Jahre Frieden am Oberrhein«
Beim Europäischen Abend der Europa-Union stand das Zusammengehörigkeitsgefühl über die Landesgrenzen hinweg im Vordergrund. Gastredner Alphonse Jenny (86) aus dem Elsass erklärte dabei aus Anlass von »70 Jahren Frieden am Oberrhein«, warum Europa für ihn mehr als nur ein Kontinent ist.
Das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, ist eine der wichtigsten Aufgaben. Das sagte Bürgermeister Dietmar Stiefel am Mittwoch beim europäischen Abend der Europa-Union Achern und Umland im Bürgersaal. Rund 30 Zuhörer erlebten genau das am Beispiel der Zusammengehörigkeit von Baden und dem Elsass. Mit bewegenden Worten schilderte der ehemalige Bürgermeister von Kintzheim, Alphonse Jenny, seine Sicht auf »70 Jahre Frieden am Oberrhein« und die heutige Gefühlslage der Elsässer.
Dramatische Geschichte
Der 88-Jährige studierte Germanistik und Jura, als einer seiner damaligen Professoren 1948 zum Rhein ging und eine Säge an den Grenzbaum zwischen den beiden Ländern anlegte. »Seit damals bin ich überzeugter Europäer«, sagte Alphonse Jenny, der später Dozent an der Pädagogischen Hochschule Straßburg wurde.
»Wir haben unsere Identität, Sprache und Kultur ganz nah an der badischen«, erklärte er und blickte zurück auf die Geschichte des Elsass und seine Traumata: 140 000 Elsässer mussten der deutschen Wehrmacht und SS beitreten, 40 000 von ihnen starben im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg mussten die Elsässer ihre alemannische Sprache aufgeben.
»Das gegenwärtige Elsass ist fast am Verschwinden«, sagte der erblindete Sprecher. Seit drei Jahren gehöre es zum »Großen Osten« (Grand Est) von Frankreich, einer Region in der Größe Belgiens. Die Zweisprachigkeit des Elsass habe früher bis zu 70 000 Grenzgängern die Chance eröffnet, ihr Brot in Baden oder der Nordschweiz zu verdienen. Doch ihre Zahl sei stark gesunken, weil immer weniger Elsässisch gesprochen werde. Es gebe viele Arbeitslose und es herrsche Pessimismus.
Stolz seien die Elsässer auf den Sitz des Europäischen Parlaments und des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg. Besorgt seien sie über das Atomkraftwerk in Fessenheim. Vom neuen Staatsoberhaupt Emmanuel Macron habe er gehört, dass er nichts gegen die regionalen Muttersprachen habe. Das sei für ihn Grund zum Optimismus, so Jenny: »Ich habe neben der Tricolore wieder die elsässische Flagge in rot-weiß vor meinem Haus aufgezogen.«
»Wir brauchen euch«
Der große Reichtum Europas bestehe in den vielen Traditionen und Kulturen. An diesen Ausspruch von Papst Johannes Paul II. erinnerte der Vorsitzende der Europa-Union Achern, Peter Lorenz. Er selbst sei in den letzten Kriegstagen geboren und habe mehr als 70 Jahre Frieden und ihre Bedeutung erlebt.
Die deutsch-französische Freundschaft sei ein friedensbringender Fixstern am Wertehimmel, sagte Patrik Schneider, SPD-Stadtrat aus Achern: »Liebe französische Freunde, wir brauchen euch!« Schneider hatte bereits 2015 angeregt, sieben Jahrzehnte Frieden zu feiern – gerade weil das Ringen um den Frieden den jüngeren Generationen unbekannt sei und viele europamüde seien.
Einen festlichen Rahmen gab dem Europäischen Abend ein Klarinetten-Quartett der Musikschule Achern-Oberkirch. Celine Schwenk, Laura Obrecht, Monja Doll und Désirée Grundmann spielten großartig den vierten Satz des »Grand Quartett« von James Waterson und die Clarinet Rhapsody von David Bennett. Bürgermeister Dietmar Stiefel verriet, dass sich die jungen Frauen Anfang Juni dem Bundeswettbewerb »Jugend musiziert« stellen werden.