Fehler von Versicherung: Freispruch für Angeklagten
Eine Schaustunde zur Beachtung von Behördenschreiben erlebte eine Schulklasse am Dienstagmorgen im Gerichtssaal.
Angeklagt war ein 21-jähriger Mann, der für den Monat Januar 2016 Arbeitslosengeld in Höhe von 396 Euro zu Unrecht erhalten haben soll, wie Oberamtsanwalt Dietrich in seiner Anklageschrift verlas. Aufgrund der Vorspiegelung falscher Tatsachen sei hier eine Betrugssituation entstanden, denn die staatlichen Unterstützungsleistungen hätten aufgrund der im Januar ausgeübten Tätigkeit nicht mehr in Anspruch genommen werden dürfen.
Allerdings stellte der Rettungshelfer dies anders dar. Er sei er von Oktober 2015 bis Februar 2016 arbeitslos gewesen. Ab 1. Februar hätte er dann bei einem Betreuungsunternehmen einen zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Vorab musste er jedoch einen Probearbeitstag absolvieren, was er auch in der letzten Januarwoche tat. Eine Bezahlung habe er hierfür nicht erhalten, dafür den erwähnten Zeitvertrag.
Unbefristet angestellt
Mittlerweile ist er unbefristet angestellt. Da sein Verteidiger Albrecht Geier das Gericht vorab informierte, dass hier eine terminlich falsch fixierte Position Grundlage der Anklage sei, forderte Amtsrichter Michael Tröndle vor der Verhandlung vom Arbeitgeber die genauen Daten des Arbeitsbeginns an. Dieser bestätigte, dass der Angeklagte erst am 1. Februar seine Tätigkeit aufgenommen hatte und somit das Arbeitslosengeld korrekter-weise überwiesen wurde.
Ein Mangel war in der Aufzeichnung der Daten der Rentenversicherung, jener der Krankenversicherung und der Agentur für Arbeit festgestellt worden. Ob die Daten vom Arbeitgeber fälschlich wiedergegeben wurden oder ob es bei der Rentenversicherung einen 00Übertragungsfehler gab, konnte nicht ermittelt werden. Albrecht Geier stellte dabei fest, dass man in unserem Land mit der Renten- und Krankenversicherung »einen Staat im Staate« habe, ja noch weit mehr solcher Einrichtungen vorzufinden seien, die Menschen in ähnliche Nöte brächten und glaubten, dass sie die absolute Rechtsposition inne hätten. Der Staatsanwalt plädierte auf Freispruch. Dem schloss sich der Verteidiger umgehend an.
Amtsrichter Michael Tröndle sprach den Angeklagten umgehend frei und bürdete die Verfahrenskosten der Staatskasse auf, stellte aber auch heraus, dass auf die Schreiben der entsprechenden Einrichtungen – immerhin waren es drei an der Zahl – auch keine Reaktion des Betroffenen kam. Hier hätte er die Einspruchs- oder Widerspruchszeit nutzen müssen, um den Sachverhalt in seinem Sinne zu klären.
Nun obliege es auf Kulanzbasis, dem Betroffenen entgegenzukommen, ansonsten müsse er aus eigener Tasche den Renten- und Krankenversicherungsbetrag für Januar 2016 nachbezahlen, auch wenn er in keinem Arbeitsverhältnis stand. Dies trifft den 21-jährigen Mann hart, denn allzu üppig ist sein Gehalt nicht, das er für seine Tätigkeit als Rettungshelfer erhält. Äußerst lehrreich war es für die anwesenden Schüler. In der an-schließenden Besprechung mit dem Amtsrichter wurde sicherlich dargestellt, wie wichtig es ist, die behördlichen Schreiben genau zu lesen und dann zu reagieren, um nicht in eine ähn-liche Situation zu kommen.