Vor Gericht

Freispruch nach Tassenwurf in Flüchtlingsunterkunft

Edgar Gleiss
Lesezeit 3 Minuten
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12. Januar 2017

©Archiv

»In dubio pro reo«, im Zweifel für den Angeklagten, so lautete der Urteilsspruch von Strafrichter Michael Tröndle am Dienstag, als es am Amtsgericht Achern um ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ging. 
Die Staatsanwaltschaft reichte Klage ein, weil ein 34-jähriger Asylsuchender einen Landsmann im September mit einer Tasse geschlagen hatte. Der erlitt eine Kopfverletzung, die von Polizisten fotografiert wurde, nachdem sie zur Streitschlichtung in die Heid gerufen worden waren.

Schwierig wurde es, den Tat­hergang so nachzuvollziehen, dass es für einen Urteilsspruch eine klare Grundlage gegeben hätte. So sprach der Angeklagte von Notwehr, weil er von seinem Landsmann angegangen worden sei. Aus Angst, dem größeren und jüngeren Gegenüber ausgeliefert zu sein, habe er ihm eine  Tasse auf den Kopf geschlagen oder geworfen.

Wie sich bei der Zeugenbefragung herausstellte, war die Ursache des Streits wohl eine Auseinandersetzung unter deren Kindern, wobei der Sohn des Angeklagten jenen des Geschädigten geschlagen haben soll. Daraus entwickelte sich der Konflikt, der bei einem Abendspaziergang dann eskaliert und zur körperlichen Auseinandersetzung auf der Straße vor der Unterkunft geführt habe. 

Arbeit für Dolmetscher

Dass die Frau des Geschädigten mit einem Besenstiel noch in die Auseinandersetzung eingegriffen haben soll, konnte über die Zeugenaussagen nicht eindeutig geklärt werden. Gleiches galt für das Schlagen oder Werfen der Tasse. Hier hatte der Dolmetscher erheblichen Klärungsbedarf.

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Letztlich soll es dann so gewesen sein, dass der Angeklagte die Tasse auf seinen Kontrahenten geworfen hatte. Nach Aussage der Frau des Verletzten hätte die Familie des Angeklagten mit den weiteren vier Familien in der Unterkunft Streit gehabt. Ihr Mann habe es wohl untersagt, noch einmal mit der Familie zu sprechen. Zudem habe der Angeklagte seinen kleinen Sohn nicht zur Rede gestellt, weil er ihren Sohn geschlagen habe. Mittlerweile sei man aber umgezogen und treffe diese Landsleute aus Aleppo nicht mehr.

Die Frau des Angeklagten sprach derweil von bösen Beschimpfungen der Gegenseite, wollte die Beleidigungen aber auch auf Aufforderung des Richters nicht wiederholen. Dem wahren Ablauf näher kam die Aussage eines dritten Zeugen, der die Differenzen der beiden Familien erläuterte. Er schilderte den Tat­ablauf so, dass der Angeklagte den Angriff seines Widerparts habe sehen können.

Sehr umfänglich und wenig der Sache dienlich wurden von den Zeugen und Zeuginnen Erklärungen abgegeben, so dass vom Amtsrichter immer wieder der Hinweis kam, nur zum Tat­hergang auszusagen.
Nach Abschluss der Zeugenvernehmung stellte der Anklagevertreter heraus, dass man aufgrund der Körpergröße des Geschädigten und der Größe des Angeklagten wohl von einem Wurf aus Notwehr sprechen könne. Eine klare und eindeutige Zeugenaussage gebe es nicht. Deshalb fordere er Freispruch für den Angeklagten.

Wurf provoziert

Dem schloss sich der Amtsrichter an, da eine gefährliche Körperverletzung aus den Zeugenaussagen nicht klar nachweisbar gewesen sei. Mit der Tasse sei geworfen und nicht geschlagen worden. Der Geschädigte sei zwar erheblich verletzt gewesen, doch könne er aufgrund seiner Angriffshaltung den Wurf provoziert haben.

Die Aussagen der Ehepartner hätten so geklungen, als ob sie jeweils abgesprochen waren, sagte Tröndle. Beim Gericht sei eher der Eindruck aufgekommen, dass »Geschichten« erzählt wurden.
Zwar war der Wurf der Tasse laut Strafrichter nicht verhältnismäßig, dennoch sei aufgrund der mangelnden Glaubenswahrscheinlichkeit ein Freispruch nötig, die Kosten des Verfahrens werden der Staatskasse aufgelastet.

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