Helfer des Freundeskreis »Oberkirch hilft« ist in Haft
Seit sechs Wochen sitzt der wichtigste Ansprechpartner des Freundeskreis »Oberkirch hilft« ,Ahmet Demir, in der Türkei im Gefängnis. Eine Anklage gegen ihn gibt es nicht, nicht einmal einen Klagevorwurf.
Ahmet Demir war Leiter der Grundschule in Midyat mit insgesamt 1100 Schulkindern. Der Kurde war einer der ersten, der sich im türkisch-syrischen Grenzgebiet im Herbst 2014 für die dort ankommenden Flüchtlinge engagiert hat. Für den Freundeskreis »Oberkirch hilft« war er der wichtigste Ansprechpartner (wir berichteten). Er kaufte mit dem Spendengeld aus Oberkirch Lebensmittel und andere Hilfsgüter für die noch rund 1200 jesidischen Flüchtlinge, die bewacht und isoliert hinter einem Maschendrahtzaun leben.
Seit sechs Wochen sitzt Ahmet Demir im Gefängnis. Wenige Wochen nach dem Putschversuch gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan wurden insgesamt 94 Menschen aus den Bereichen Bildung, Kultur und Medizin allein in Midyat verhaftet. »Fünf davon wurden inzwischen wieder freigelassen«, erzählt Serin Celik, die die Oberkircher Hilfsorganisation mit ins Leben gerufen hat. Ahmet Demir war leider nicht unter den Freigelassenen. »Es gibt keine Anklage, nicht mal einen Klagevorwurf«, berichtet Diakon Roland Deusch. Den Anwälten werde Akteneinsicht verwehrt. Ein Gefängnis im Südosten der Türkei, stellt er fest, könne man nicht mit deutschen Strafanstalten vergleichen. Die Zustände dort seien sehr schlimm.
Deusch richtet eine klare Botschaft an die Mitglieder des Türkischen Vereins in Oberkirch: »Ich erwarte von jedem Muslim, dass er solch eine Aktion als Unrecht anprangert.« Auch wenn in der Türkei nach dem Putschversuch viele Rechte außer Kraft gesetzt seien, können die Mitglieder des Freundeskreises diesen Umgang mit Demir nicht verstehen. »Wir sind sehr besorgt«, sagt Julita Parisel.
Kinder leiden besonders
Der inhaftierte Lehrer ist verheiratet und hat fünf Kinder. »Die leiden unter der Situation besonders und suchen ihn abends vergebens in seinem Zimmer«, hat Deusch erfahren. Demirs Frau habe ihn zwei Mal im Gefängnis besuchen können, ergänzt Serin Celik.
Demir habe die Positionen der Partei HDP vertreten, die Minderheitenrechte für die Kurden in der Türkei befürwortet. Unabhängig davon, habe der Lehrer aber politische oder religiöse Ideologie in den Hintergrund gestellt »und aus rein humanitären Gründen Hilfe geleistet«, sagt Deusch.
Bischöfe eingeschaltet
Der Freundeskreis hat bereits die Bischöfe Jochen Cornelius-Bundschuh und Stephan Burger um Unterstützung gebeten und einen Brief ans türkische Generalkonsulat in Karlsruhe geschickt. Darin erklärt sich der Freundeskreis bereit, Rechenschaft über Herkunft und Verwendung seiner Spenden zu geben. »Der Stadt Oberkirch sind wir ohnehin Rechenschaft schuldig«, heißt es in dem Schreiben.
In einem weiteren Schritt will der Freundeskreis auch deutsche Politiker um Hilfe bitten. Sein Aufruf an den Generalkonsul: »Im Namen all dessen, was wir als menschlich verstehen, bitten wir Sie, auf eine möglichst rasche Freilassung von Ahmet Demir hinzuwirken.«
Freundeskreis "Oberkirch hilft"
Die Arbeit des Freundeskreises »Oberkirch hilft« liegt momentan auf Eis. Die Helfer im Umfeld von Ahmet Demir haben Angst, ebenfalls verhaftet zu werden. »Unsere Strukturen sind aber intakt. Wir sammeln weiterhin Spenden«, berichtet Diakon Roland Deusch. Das Geld werde jetzt auch verwendet, um sich für die Freilassung von Ahmet Demir einzusetzen. Damit will der Freundeskreis unter anderem die Anwaltskosten in der Türkei finanzieren.
Mit der Familie des türkischen Schulleiters stimmt sich der Freundeskreis bei seinem Vorgehen ab. Frau und Kindern Demirs drohe derzeit der Rauswurf aus der Wohnung in Midyat durch den Vermieter.
Am Ansatz, die Flüchtlingslager im Grenzgebiet so zu bestücken, dass die Menschen dort bleiben können, will der Freundeskreis festhalten, erzählt Julita Parisel. Inzwischen seien aber schon Flüchtlinge, die sie bei einem Aufenthalt in Midyat kennengelernt hätten, in Deutschland angekommen. Die Lage sei so, dass auch Menschen aus der Türkei in Deutschland um Asyl bitten. Die Angst vor Verhältnissen wie in den 80er Jahren gehe im Land um.rüd