Gerichtsvollzieher vollstreckt wegen Strafzettel
Am Anfang stand ein ordinäres Parkvergehen, am Ende eine Zwangsvollstreckung: Wie die Mühlen des Gesetzes sich in Gang setzen, wenn man einen Zehn-Euro-Strafzettel ignoriert, das bekommt eine Oberkircherin derzeit am eigenen Leib zu spüren. Sie hatte ein Zehn-Euro-Bußgeld erhalten, weil ihr Lebensgefährte am Kirchplatz außerhalb der markierten Parkplätze geparkt hatte. Grund: ein Arztbesuch, seine Freundin konnte kaum laufen.Inzwischen steht laut dem Lebensgefährten eine Forderung von rund 300 Euro im Raum – die Kosten für wiederholte Mahnungen, Gerichtsvollzieher und eventuelle Gerichtskosten. So weit hätte es nicht kommen müssen, wenn die Fahrzeughalterin, eine Polin, sich rechtzeitig bei der Stadt gemeldet und auf die wiederholten Zahlungsaufforderungen zumindest mit einem Anruf reagiert hätte. »Der Betroffene hat bei jedem Schritt die Möglichkeit zu reagieren und seine Situation darzulegen«, meint Ordnungsamtsleiter Christoph Lipps.
»Kann mit uns reden«
Mindestens viermal hätten städtische Schreiben dazu Gelegenheit gegeben, eine Rückmeldung erhielt man lange Zeit nicht. Lipps versteht den Fall auch als warnendes Beispiel, Strafzettel nicht einfach zu ignorieren. Dem Verwarnten bleiben zwei Möglichkeiten: bezahlen oder sich melden und erläutern, warum man nicht zahlen kann. Christoph Lipps: »Man kann mit uns reden.«
»Wenn es keine Reaktion gibt, wird das Verfahren im gesetzlichen Rahmen fort- und weitergeführt«, so Lipps. Und die Stadt nutzt alle Möglichkeiten, um die Schuld einzutreiben. »Das ist rechtmäßiges Verwaltungshandeln, das erwartet jeder Bürger von uns, der seinen Verpflichtungen nachkommt.« Die lange Verfahrensdauer sei auch nicht im Sinne der Stadt.
Den Strafzettel hatte die Betroffene im August 2012 erhalten. Aus den ursprünglichen zehn Euro Verwarnung war im Sommer 2013 inklusive Mahn- und Bearbeitungsgebühren ein Betrag von 53 Euro erwachsen, den die Stadt über den Gerichtsvollzieher eintreiben will. Dessen Eingreifen verursachte weitere Verwaltungskosten, welche die Schuldnerin übernehmen sollte, so dass ihr im Sommer eine Gesamtforderung von 132,20 Euro ins Haus flatterte. Verknüpft mit der Vorladung, vor dem Gerichtsvollzieher ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Die sehen nach Angaben des Lebensgefährten alles andere als rosig aus. Er ist Hartz-IV-Empfänger, sie muss als Teilzeitbeschäftigte mit 400 Euro im Monat auskommen. »Die Frau hat kein Geld, um Essen zu kaufen. Es ist ein Drama«, meint der Mann.
Da die Polin dem Termin zur Vermögensauskunft fernblieb, erfolgte ein Eintrag ins Schuldnerverzeichnis. Der Widerspruch wurde von einem Rechtspfleger des Amtsgerichts kostenpflichtig abgelehnt, obwohl die Frau die 53 Euro Bußgeld inzwischen an die Stadt überwiesen hat. »Voraussetzung für die Aufhebung der Eintragsanordnung ist der Nachweis der vollständigen Begleichung der Forderung des Gläubigers.« 80 Euro fehlten.
Das Verfahren läuft also weiter, auch wenn die Stadt es jederzeit beenden könnte. Das wird sie nur tun, wenn der komplette Betrag bezahlt wird. Die Betroffenen hoffen darauf, dass die Stadt Gnade vor Recht walten lässt. Doch das ist laut Lipps schon aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht möglich – weil dann jeder Parksünder und Steuerzahler um Nachlass bitten könnte. »Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum wir die entstandenen Gebühren den Betroffenen erlassen sollen.« Der Bürgermeister deutet allerdings an, dass die Betroffene wie jeder Schuldner Ratenzahlung beantragen könne.
Keine Chance auf Gnade
Die Möglichkeit, zumindest die fehlenden 80 Euro mit Zahlungen von fünf Euro monatlich abzustottern, will die Betroffene nun nutzen.