Gewaltlosigkeit setzt Zeichen
Im europäischen Zentrum der Art of Living Foundation in Bad Antogast war vergangene Woche Sri Sri Ravi Shankar zu Gast, der Gründer der Art of Living Foundation und weltweit anerkannter Friedensbotschafter. Im Juni hatte sich der spirituelle Lehrer mit der kolumbianischen Guerillagruppe FARC (siehe Stichwort) getroffen und die Kämpfer davon überzeugt, zur Gewaltlosigkeit überzugehen. Über sein Engagement beim Friedensprozess in Kolumbien, seine Begeisterung für den Schwarzwald und die Vorzüge des Yoga hat er mit der Acher-Rench-Zeitung gesprochen.
Sri Sri Ravi Shankar, Sie reisen viel um die Welt. Auf ihrem Tourplan finden Sich Metropolen wie Montreal, Hongkong oder Neu Delhi – und dazwischen immer wieder Bad Antogast. Was schätzen Sie an diesem kleinen Ort in Oppenau?
Sri Sri Ravi Shankar: Es ist so schön hier, die Natur ist wunderbar, es gibt gute Luft und nette Menschen. Ich komme hier auf dem Weg nach Amerika oder nach Indien gerne vorbei, denn es liegt auch so schön in der Mitte meiner Reisen. Daher verbringe ich hier immer wieder ein paar Tage. Außerdem ist es einfach für Menschen aus Europa, Russland und sogar aus Afrika hierherzukommen und mich hier zu treffen, denn ich kann nicht in alle Länder reisen. In Indien wird es immer schwieriger, mich zu treffen, denn es sind dort einfach zu viele Menschen. Daher kommen auch Inder hierher nach Bad Antogast, wo ich Zeit für sie habe.
Was machen Sie hier in Bad Antogast während Ihres Aufenthalts?
Ravi Shankar: Nachmittags gebe ich Meditations- und Yogakurse und an den Abenden halte ich Vorträge über Themen wie den Umgang mit Stress oder die »Life-Work-Balance«.
Vor kurzem waren Sie in Kolumbien und haben mit den Guerillas der FARC gesprochen, die daraufhin beschlossen haben, zur Gewaltlosigkeit überzugehen. Was genau war ihre Rolle in den Friedensgesprächen?
Ravi Shankar: Vergangenen Monat war der kolumbianische Präsident in Norwegen und zeigte sich sehr pessimistisch, was den Frieden in seinem Land anging. Als ich in Kolumbien war, war auch niemand optimistisch, weder die Regierung noch die FARC. Dann traf ich für drei Tage die Anführer der FARC und wir sprachen immer wieder miteinander. Ich erhielt ein Versprechen von den Guerillas, die soziale Gerechtigkeit im Land nur noch gewaltfrei zu verfolgen. Erst erklärten mir die Kämpfer, das sei nicht möglich. Dann hörten sie mir zu und stimmten schließlich auch zu. Anschließend gaben wir eine gemeinsame Pressekonferenz, in der die FARC erklärte, dass sie von nun an auf Gewalt verzichten wolle. Ein paar Tage später erklärten sie unilateral den Waffenstillstand. Das war ein großer Durchbruch in diesem Konflikt.
Wie haben Sie im Gespräch mit den FARC-Guerillas argumentiert?
Ravi Shankar: Ich bin kein Teil der Regierung und habe keine politische Agenda. Daher haben mir die Menschen zugehört. Sie haben gemerkt, dass das, was ich sage, aufrichtig ist und dass ich mich um sie sorge. Ich habe ihnen gesagt: Die Welt sieht euch als Täter, ich sehe euch auch als Opfer. Meine Bedingung für meine Unterstützung im Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit ist die Gewaltlosigkeit: keine Bomben und keine Zerstörung öffentlicher Einrichtungen.
Wie haben Sie überhaupt den Kontakt zur Guerilla aufnehmen können?
Ravi Shankar: Das war eine große Aufgabe, denn normalerweise treffen sie niemanden aus religiösen oder spirituellen Kreisen. Im Oktober 2014 habe ich Leute nach Kolumbien geschickt, die herausfanden, wo die FARC sich aufhält und den Kontakt herstellten.
In der Welt gibt es viele Konflikte. Was können wir aus den Friedensgesprächen in Kolumbien für andere Auseinandersetzungen lernen?
Ravi Shankar: Ich würde sagen, es geht immer darum, Vertrauen aufzubauen. Das kann nur durch Fairness funktionieren. Die Kommunikation muss so sein, dass man auch die Perspektive des anderen einnehmen kann. Und es gibt nur dann Erfolge, wenn man mit einem offenen Herzen und einer großen Aufrichtigkeit an die Annäherung herangeht. Mehr als das, was wir sprechen, ist das, was wir sind. Das macht den Unterschied.
Zum Schluss möchte ich mit Ihnen noch über Yoga sprechen. Wie kann Yoga das Leben eines Menschen verändern?
Ravi Shankar: Yoga hilft unserem Immunsystem, dem Kreislaufsystem, dem Lymph- und dem Nervensystem. Yoga hält uns gesund. Außerdem bringt Yoga einen frischen Geist und kann helfen, Depressionen zu überwinden sowie Unruhe und Angst zu bewältigen. Schlussendlich lässt Yoga die Menschen glücklicher werden.
Was ist das besondere an Sri Sri Yoga?
Ravi Shankar: Unser Yoga ist sehr säkular und kann daher von jedem praktiziert werden. Unser Yoga ist sehr gut strukturiert, damit es auch viel beschäftigte Menschen ausüben können. Wir haben Übungen, die Menschen am Schreibtisch machen können sowie Übungen für alte Menschen genauso wie für Kinder oder für Schwangere.
FARC
Die Abkürzung FARC steht für »Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia« – Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens. Die Volksarmee ist eine marxistisch ausgerichtete Guerillabewegung. Seit den 1960er Jahren führt die FARC einen bewaffneten Kampf gegen den kolumbianischen Staat und die Großgrundbesitzer.
In dem längsten Konflikt Südamerikas wurden insgesamt 220 000 Menschen getötet.