Heimatverbunden und weltoffen
Mit Siegfried Stinus feiert eine Acherner Unternehmer-Persönlichkeit heute den 80. Geburtstag. Neben seinem Einsatz für die Orthopädie-Branche zeichnete und zeichnet Siegfried Stinus das bürgerliche Engagement aus.
»Die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist ein Teil der Friedenssicherung.« Diese Erkenntnis von Siegfried Stinus als vielgereister Unternehmer ist – vor dem Hintergrund der Krisen in der Ukraine und im Nordirak – aktueller denn je, hat doch der Acherner viele Erfahrungen unter anderem in der früheren UdSSR gesammelt. Schiffe der Kreuzfahrtflotte wurden von der Acherner Firma stinova ausgestattet. Doch nicht nur berufliche Reisen haben Siegfried Stinus’ Weltsicht geprägt, sondern auch seine privaten Reisen, die ihm andere Kulturen und Religionen näher brachten. Schwerpunkt seiner Reisen waren der Orient, Indien und der ferne Osten, aber auch Mittel- und Südamerika sowie Nordafrika gehörten zu seinen Zielen. Auch wenn sich mit zunehmendem Alter der Radius der Reisen verringert hat, wie Siegfried Stinus erzählt, so steht Tibet ganz oben auf seiner Wunschliste, zumal er Bhutan und Nepal schon besucht hat. Auf seinen Reisen hat er nicht nur viel über Land und Leute erfahren, sondern Schuhe aus aller Welt mitgebracht, die unter anderem in seinem Schuhmuseum im Landhaus in der Illenau zu sehen sind.
Leidvoller Kriegsalltag
Siegfried Stinus stammt aus einer ursprünglich Großweirer Familie, deren Geschichte bis zur Zeit des 30-jährigen Krieges zurückverfolgt werden kann. Apropos Krieg: Die ersten Lebensjahre des Unternehmersohns waren vom leidvollen Alltag des Zweiten Weltkriegs geprägt. Detailliert kann er sich an die Bombenangriffe auf Achern erinnern und natürlich ist der 7. Januar 1945 fest in sein Gedächtnis eingebrannt. Sein Vater war damals Einsatzleiter beim Roten Kreuz. Er flüchtete in den heimischen Keller, als Achern Ziel der Fliegerangriffe war. »Das waren prägende Ereignisse, aber ich wurde dadurch nicht traumatisiert«, erzählt er. »Es war so. Man hat das als Kind verarbeitet.«
»Lebensqualität geben«
Nach dem Besuch der Heimschule Lender lernte Siegfried Stinus im eigenen Betrieb, legte 1957 nach Absolvierung der Fachschule in Göttingen die Meisterprüfung im Handwerk für Orthopädie-Schuhtechnik ab. 1958 in den väterlichen Betrieb einzusteigen, war für ihn keine lästige Pflichterfüllung, sondern Berufung. »Wer gut geht, dem geht es gut«, ist sein Wahlspruch, wobei es sich bald bei Siegfried Stinus längst nicht mehr nur um Schuhe drehte. Die große Bandbreite orthopädischer Hilfsmittel wurde von der Firma Stinus bedient. Wichtig sei es ihm gewesen, Menschen mit Behinderung Lebensqualität zu geben. Mit der Gründung der Firma stinova kümmerte sich Siegfried Stinus zusammen mit seiner Frau Doris auch um die Einrichtung von Orthopädie-Fachbetrieben und Arztpraxen. Doch dabei blieb es nicht. So wurden eben unter anderem auch russische Schiffe nach ergonomischen Gesichtspunkten ausgestattet.
Aus dem Unternehmer-Leben hat sich Siegfried Stinus inzwischen zurückgezogen. 2000 übergab er die Firma Stinus Orthopädie an seinen Sohn Hartmut Stinus, Facharzt für Orthopädie, als Gesellschafter. Die Firma stinova übernahmen und betreiben bis heute seine Tochter Sabine Stinus-Sandhacker und Schwiegersohn Jörg Sandhacker. Siegfried Stinus hat allerdings in der Neulandstraße immer noch ein Büro. Denn bei Bedarf steht er als Ratgeber gerne zur Verfügung.
Viele Ehrenämter übernahm Siegfried Stinus sowohl im Orthopädie-Gewerbe als auch in der Acherner Vereinslandschaft, viele Auszeichnungen erhielt er. In den vergangenen 20 Jahren rückte die Illenau immer stärker in seinen Fokus.
Ausgelöst wurde die Leidenschaft für das Gebäudeensemble und die Vergangenheit der Illenau als Heil- und Pflegeanstalt durch seine Tochter. Während ihres Studiums schrieb sie 1986/87 eine Studienarbeit über die Illenau. »Das hat mich sensibilisiert«, meint Siegfried Stinus. So wurde er gleich zu Beginn Mitglied der Bürgerinitiative »Zukunft der Illenau« (inzwischen Förderkreis Forum Illenau), einer Bürgerinitiative, »die nicht gegen, sondern für etwas war«, wie er lächelnd betont. Viele Jahre war er Vorsitzender des Förderkreises, dem er weiterhin angehört. Inzwischen ist er auch durch das Landhaus mit der Illenau verwurzelt, das er erworben und saniert hat.
Größte Anerkennung für die Arbeit des Förderkreises ist es für ihn, wenn Personen, die einst zu den großen Kritikern und Skeptikern in Sachen Sanierung und Erhalt der Illenau gehörten, nun eingestehen, dass es richtig war, die Illenau wiederzubeleben.
Die Illenau wird auch weiterhin den Alltag von Siegfried Stinus, für den Achern Heimat bedeutet, der sich aber gleichzeitig in der gesamten Welt heimisch fühlt, bestimmen. Denn noch ist die Wiederbelebung nicht ganz beendet.
Kein Schwarz-Weiß
Politisch hat sich das CDU-Mitglied aus Zeitgründen nicht im Gemeinderat engagiert. Dabei hätte seine Sicht der Dinge der Kommunalpolitik sicher gut getan. Ein Schwarz-Weiß-Denken gibt es für ihn nicht, weder im Kleinen, noch in der großen Politik. Berührungsängste mit politisch Andersdenkenden oder mit anderen Kulturen und Volkswirtschaften hat er nicht, denn frei nach dem Motto »Die wirtschaftliche Zusammenarbeit ist ein Teil der Friedenssicherung« setzt er auf Kooperation statt Konfrontation.