Hype um Kindergartenplätze: Eltern melden Ungeborene an
Mehr Flexibilität bei der Vergabe von Kindergartenplätzen fordert eine Stadträtin von der Oberkircher Stadtverwaltung ein. Vor allem die Plätze für Kleinkinder sind inzwischen so gefragt, dass Eltern schon Ungeborene anmelden.
»Die Frauen hängen in der Luft.« CDU-Stadträtin und Erzieherin Vera Huber bricht eine Lanze für junge Mütter. Die sitzen bei der Kinderplatzvergabe in Oberkirch manchmal zwischen Baum, sprich der Familie, und Borke, dem Arbeitgeber. Betroffen sind vor allem jene, deren Kinder im Herbst auf die Welt kommen und die nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten wollen.
Da sie spätestens eine Woche nach der Geburt ihrem Arbeitgeber mitteilen müssen, wie lange ihre Elternzeit dauern soll, sind sie besonders auf die Zusage für einen Kindergartenplatz angewiesen. Doch die schriftliche Bestätigung lässt in Oberkirch mitunter monatelang auf sich warten: Die Stadt veranstaltet nur einmal im Jahr, im Januar, zentrale Anmeldetage und vergibt anschließend verbindlich die Plätze. Bis die Eltern eine Antwort erhalten, wird es April.
Bisher noch keiner abgewiesen
Auch wenn laut Huber keine der betroffenen Mütter abgewiesen wurde, setzt sie sich für »mehr Planungs- und Rechtssicherheit« für die Eltern ein. Durch eine flexiblere Anmeldung. »Die zentralen Anmeldetage sind gut, so lange die Kinder mit drei Jahren in den Kindergarten kommen.«
Stadt will mehr Kindergartenplätze schaffen
Erschwerend kommt hinzu, dass die Kindergartenplätze in Oberkirch knapp sind. Grund: die steigenden Geburtenzahlen. Die Stadt will deshalb im Juli ein Konzept für die Schaffung zusätzlicher Plätze vorstellen. »Bis zum Kindergartenjahr 2016/17 konnten in der Regel aber alle Kinder aufgenommen werden«, antwortet Stabsstellenleiter Hermann Brüstle auf Anfrage.
Anmeldungen von Ungeborenen möglich
Die Nachfrage ist so hoch, dass hochschwangere Mütter mittlerweile schon ihre ungeborenen Kinder anmelden. Ein Schritt, der in Oberkirch anders als in den Nachbarstädten Achern und Offenburg möglich ist. Allerdings nur, wenn das Kind den Platz bereits im kommenden Kindergartenjahr in Anspruch nimmt.
Ein Schritt, den Stadträtin und Kindergartenleiterin Bettina Käppeler kritisch sieht. Sie erkennt einen »Hype« bei der Vergabe der Kindergartenplätze und warnte in der jüngsten Sitzung vor einem »Windhundverfahren« bei der Platzvergabe: »Sollen wir irgendwann beim Kinderwunsch mit der Anmeldung beginnen?«
Stadt bietet 800 Plätze für Ein- bis Sechsjährige
Die Oberkircher Kindergärten nehmen Kinder ab einem Jahr auf; eine weitere Absenkung des Eintrittsalters ist nach Angaben der Stadt nicht geplant. 600 Plätze im Ü 3-Bereich und 200 Plätze im U 3- Bereich stehen zur Verfügung; die Anzahl schwankt, da in altersgemischten Gruppen jeder Zweijährige doppelt zählt.
Platzvergabe erst im April
In der Kernstadt und in den Ortschaften gibt es zehn Kindergärten. Um die Platzvergabe zu koordinieren und um die Eltern zu informieren, hat die Stadt die Anmeldetage eingerichtet. Auswahlkriterien bei der Platzvergabe sind Alter des Kindes, Geschwisterkinder, persönliche Situation und Berufstätigkeit, Ausbildung oder Studium der Eltern. Vergeben werden die Plätze fürs im September startende Kindergartenjahr. In Einzelfällen würden Anmeldungen vorab entgegengenommen, »eine Platzvergabe erfolgt jedoch erst nach den gesamtstädtischen Anmeldetagen«, im April, so Brüstle.
Erzieherin rät Müttern: nicht drängen lassen
SPD-Stadträtin Bettina Käppeler rät den Müttern, sich nicht drängen zu lassen bei der Rückkehr in den Beruf: Wenn beide Seite Interessen an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnis hätten, ließen sichvor ihrem Beginn schriftlich beim Arbeitgeber beantragt werden muss, endet ihre Frist oft unmittelbar nach der Geburt. Im Antrag müssen die Mütter nicht nur festlegen, ob sie nach einem, zwei oder drei Jahren wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sondern auch ob sie Teilzeit arbeiten wollen. Diese Festlegungen können nachträglich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers geändert werden.
Quelle: Ministerium für Familie
Elternzeit
Lösungen finden. Mütter könnten zum Teil noch nicht abschätzen, wie sehr sich das Leben durch ein Baby verändere. »Ich bin dafür, dass Frauen ihre Berufstätigkeit leben.« Aber es dürfe niemanden für die Karriere schaden, nach der Geburt ein bis zwei Jahre zu Hause zu bleiben. So locker, wie die Politik es oft darstelle, sei es nicht, Beruf und Familie zu vereinbaren. Käppeler ließ sich nach der Geburt ihres Sohnes drei Jahre Zeit für die Rückkehr.Elternzeit
Für Mütter schließt sich die Elternzeit an die achtwöchige Mutterschutz-Phase nach der Geburt an. Da die Elternzeit spätestens sieben Woche
Kommentar
Von Patric König
In den vergangenen zwölf Jahren hat Oberkirch viel für den Ausbau der Kinderbetreuung getan. Aus dem Nichts schuf die Stadt rund 200 Plätze für Ein- und Zweijährige. Die gesetzlichen Vorgaben erfüllte sie schon im Voraus. Kinder- und Elternfreundlichkeit kann man ihr also nicht absprechen, zumal die Stadtkasse jährlich einen Millionenbeitrag zuschießt für die Kinderbetreuung.
Vergeben werden die Plätze erst nach zentralen Anmeldetagen, die in dieser Form einmalig sind in der Nachbarschaft. Koordination ist bei der Vergabe ein Muss: Die Plätze sollen schließlich zunächst an Kinder gehen, deren Mütter arbeiten müssen (zum Beispiel an Alleinerziehende) und nicht an diejenigen, deren Eltern sich am schnellsten melden. Das Zauberwort heißt Flexibilität: Um nur aus purer Tradition die Instrumente von vor 15 Jahren weiterzuverwenden, hat sich in dieser Zeit zu viel getan in der Kinderbetreuung.
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